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08.07.2010 -

"Sie sind der Erste, der über meine Idee nicht lacht." Beratung und Coaching für Kreative und Kulturschaffende

Einleitung

(K)eine Beratung für Kreative?

Kulturschaffende und Kreative wollen von ihrer Arbeit leben. Sie gehören -  in der Regel - zu den beruflich Selbständigen für die es zwar jede Menge Beratungsangebote gibt - nur: Viele Kreative können mit dem nüchternen Sachverstand und dem betriebswirtschaftlichen Vokabular "klassischer" Existenzgründungs- oder Unternehmensberater wenig anfangen. Oder aber die Beratung scheitert daran, dass die so genannten Experten nicht beurteilen können, wie viel "Kommerz" in der kreativen Idee steckt. 

Regionalbüros: Gespräch über die unternehmerische Idee

"Kultur- und Kreativschaffende sprechen eine eigene Sprache, der man das Feuer und die Begeisterung für die eigene Geschäftsidee anfühlt", erklärt Jürgen Enninger. Er ist Ansprechpartner des Regionalbüros Bayern, eines von mittlerweile acht Regionalbüros bundesweit, die das Kompetenzzentrum Kultur- und Kreativwirtschaft des Bundes im Rahmen der Initiative Kultur- und Kreativwirtschaft geschaffen hat "Klassische Beraterinnen und Berater sprechen und verstehen diese Sprache aber nicht. Und sie halten sie zu allem Übel oft auch für ein Zeichen von mangelnder Professionalität. Darum gehen viele Kreative zu solchen Beratungen gar nicht erst hin. Oder die Beratung funktioniert nicht, weil die Kommunikation nicht funktioniert. Genau das läuft bei uns anders: Wir verstehen die Kreativen, und wir sprechen ihre Sprache, weil wir alle aus verschiedenen Kulturbereichen zur Beratung gekommen sind." 

So hat Jürgen Enninger vor seiner Tätigkeit im Regionalbüro unterschiedliche berufliche Stationen durchlaufen: in Musikverlagen, einer Staatsoper, als Geschäftsführer einer Plattenfirma und eines Musikverlags. Er wie auch seine Kolleginnen und Kollegen der anderen Regionalbüros bieten Kreativen und Kulturschaffenden in Einzelgesprächen und im Rahmen von Veranstaltungen die Möglichkeit, über ihre unternehmerischen Ideen zu sprechen und deren Marktchancen abzuklopfen. "Allein das Gespräch über die unternehmerische Idee hilft vielen. Oft hören wir den Satz: Sie sind der Erste, der über meine Idee nicht lacht oder die Augen verdreht."

Orientierungsberatung und Lotsendienst

Die Aufgabe der Regionalbüros beschränkt sich dabei auf eine so genannte Orientierungsberatung. "Wir helfen dabei, die Sprache der Kreativen in ein betriebswirtschaftliches Vokabular zu übersetzen und führen die Kultur- und Kreativschaffenden dann an passende Beratungsanbieter heran, die 'klassischen' oder die spezialisierten, die dann tiefer graben. Wir bieten also - übrigens in enger Kooperation mit den regionalen Beratungs- und Förderanbietern -  eine vorbereitende kostenlose Beratung und stehen damit vor der Ausarbeitung eines Businessplans. Und wir fungieren als Lotsen. Das scheint auf den ersten Blick noch nicht sehr viel zu sein. Aber die überwältigende Nachfrage nach diesem Angebot zeigt, wie außerordentlich notwendig genau dieses Angebot ist. Allein in den ersten zehn Wochen hatten wir hier in Bayern schon 100 Beratungen."  Ein Grund für die große Nachfrage ist dabei sicherlich, dass die Beraterinnen und Berater der Regionalbüros nicht nur auf Rat Suchende warten. Sie gehen vielmehr auf Kreative und Künstler zu und bieten an über 50 Orten bundesweit ihre Sprechtage genau dort an, wo sich die Szene trifft.

"Klassische" Beratungsanbieter

Dabei handelt es sich um die Industrie- und Handelskammer oder Handwerkskammer vor Ort, die Berufsverbände, die kommunale oder regionale Wirtschaftsförderung und die vielen Gründerinitiativen und Businessplan-Wettbewerbe. Sie kommen vor allem für diejenigen Kreativen in Frage, die bereits mit dem Selbstverständnis, Unternehmer zu sein oder zu werden, an den Start gehen: also etwa Gewerbetreibende wie Buch- oder Kunsthändler, Verleger, Galeristen, Veranstalter oder (zukünftige) Inhaber von Werbeagenturen. Ihnen können die "klassischen" Beratungsanbieter in der Regel dabei helfen, eine kreative Idee zu einem Konzept bzw. Businessplan auszuarbeiten. Darin geht es um das markttaugliche Angebot, die passende Rechtsform oder das zielgruppenorientierte Marketing. Dabei richten sich die Industrie- und Handelskammern oder Handwerkskammern nicht nur an Gründerinnen und Gründer, sondern vor allem auch an gestandene Selbständige: gerade auch mit ihren Weiterbildungskursen beispielsweise zu den Pflichten eines GmbH-Geschäftsführers, zur Buchführung oder zur Mitarbeiterführung.

Spezialisierte Beratungsangebote für Kreative und Kulturschaffende

In vielen Fällen stoßen die genannten "klassischen" Ratgeber allerdings an ihre Grenzen, wenn es darum geht, die (Geschäfts-)Ideen bildender Künstler, Autoren, Theatermacher oder anderer meist freiberuflicher Kreativer zu beurteilen. Deren Erfolgswahrscheinlichkeit einzuschätzen und bei deren Umsetzung zu helfen, haben sich  daher spezialisierte Beratungsanbieter zur Aufgabe gemacht.

Beispielsweise das Aachener GründerZentrum Kulturwirtschaft e.V.; Johannes Tomm ist hier Projektleiter: "Hauptunterschied zwischen den klassischen und den spezialisierten Beratungsanbietern ist, dass wir für die Zielgruppe diesen vertrauten 'Stallgeruch' haben. Wir kommen alle aus dem kreativen Bereich, haben hier gearbeitet, unsere Erfahrungen und unsere Fehler gemacht und wissen natürlich sehr genau, worüber wir reden. Und wir werden dabei als Gleichgesinnte wahrgenommen." Im Unterschied zu den regionalen Ansprechpartnern des Kompetenzzentrums Kultur- und Kreativwirtschaft, gehen spezialisierte Beratungseinrichtungen wie die Aachener aber tiefer, so Johannes Tomm: "Die Leute, die zu uns kommen, sind meistens sehr breit aufgestellt: Das betrifft sowohl die Dinge, die sie machen wollen, als auch ihre Kompetenzen. Unsere Hauptaufgabe ist daher, eine zentrale Geschäftsidee herauszufiltern und so lange an dieser Idee zu feilen, bis sie marktfähig ist."

Spezialisierte Beratungs- und Coachingangebote für Kreative und Kulturschaffende gibt es mittlerweile in vielen Bundesländern. Einen Überblick dazu erhalten Sie hier Information und Beratung.

Coachingangebote für Kreative und Kulturschaffende

Über die Beratung hinaus bieten spezialisierte Einrichtungen auch Coaching für Kreativunternehmerinnen und -unternehmer an. Der Unterschied zur Beratung sei ganz simpel, erklärt Ines Kretschmar, Projektleiterin im Berliner Kreativ Coaching Center: "In einer Beratung sagt man einem Rat Suchenden, was gut für ihn ist und was er deshalb tun sollte. Also beispielsweise: Das und das musst du bei in einem Businessplan immer berücksichtigen, zum Beispiel das Thema Finanzierung. Coaches geben dagegen Denkanstöße für Recherchen oder wichtige Entscheidungen. Was für sie gut ist und wie sie beispielsweise das Problem der Finanzierung ihres Vorhabens lösen, Darlehen beantragen oder Beteiligungsgeber suchen oder strategische Partnerschaften eingehen, müssen Gründer oder Selbständige mit Hilfe des Coachings dann selbst herausfinden. Dafür gehen sie mit jeder Menge Hausaufgaben aus jeder Sitzung nach Hause, müssen ihre Business- und Finanzpläne  erarbeiten, Markt- und Konkurrenzanalysen durchführen und vieles mehr. Der Clou dabei ist: Was man selbst herausfindet, das bleibt hängen. Der Coach bringt einen dafür nur auf die richtige Spur. Und begleitet seinen Kunden dann bei der Problemlösung."

Ines Kretschmar erinnert sich an eine typische Klientin. "Sie ist Designerin und fertigt Schlüsselanhänger, Memospiele, Fahrradklettbänder für Hosen, Schlüsselbretter usw. mit den Skylines von Berlin, München, London, von Städten weltweit. Sie hatte damals eine umfangreiche Angebotspalette, zwölf oder fünfzehn Produkte, ihr Umsatz stieg zwar, aber zu langsam, wie sie beklagte. Daraufhin hat sie uns um Rat gefragt, und wir haben sie mit einer Marketingexpertin zusammen gebracht." Unter deren Anleitung habe die Coaching-Kundin zunächst einmal ihre Produktvielfalt unter die Lupe genommen, so Ines Kretschmar. Und dabei ermittelt: Welches Produkt erzielt welche Erlöse? Welche Produkte sind die erfolgreichsten? Welche Vertriebskanäle kommen für welche Produkte in Frage: Museumsshops? Souvenirläden? Einrichtungshäuser? Welche Preise lassen sich jeweils erzielen? "Auf diese Weise haben die beiden das Sortiment auf die 'Stars' beschränkt, die besten Vertriebswege für die einzelnen Produkte  ermittelt und deren Preise für die jeweiligen Verkaufsstellen neu kalkuliert."

Spezialisierte Beratungs- und Coachingangebote für Kreative und Kulturschaffende gibt es mittlerweile in vielen Bundesländern. Einen Überblick dazu erhalten Sie hier Information und Beratung.

Beratung für Freiberufler

Den weitaus größten Teil aller Akteure der Kultur- und Kreativwirtschaft machen Freiberufler wie beispielsweise Architekten, Künstler, Fotografen, Publizisten oder Journalisten aus. Auf die ist das Institut für Freie Berufe an der Friedrich-Alexander­Universität Erlangen Nürnberg (IfB) "abonniert": "Wir beackern - wie die anderen Anbieter auch - in unseren Beratungen alle Felder der Existenzgründung", so Dr. Willi Oberlander, Geschäftsführer des IFB. "Dabei beraten wir sowohl telefonisch als auch - in einigen Bundesländern - vor Ort. Unser besonderes Beratungsangebot kreist immer um Fragestellungen von Freiberuflern und solchen, die es werden wollen: Wer muss sich in der Künstlersozialversicherung versichern? Welche Tätigkeit ist gewerblich, welche ist freiberuflich? Als Fotograf beispielsweise kann man je nachdem Gewerbetreibender oder Freiberufler sein. Und als Folge davon: Wer muss dann als Gewerbetreibender eine doppelte Buchführung betreiben und Gewerbesteuer bezahlen, wer bleibt als Freiberufler davon verschont? Solche Fragen müssen frühzeitig geklärt sein. Sonst kann es ein böses Erwachen geben, wenn man beispielsweise für mehrere Jahre Gewerbesteuer nachzahlen muss."

Gründungsvorbereitung an der Hochschule

Ein Großteil der Kreativen und Kulturschaffenden absolviert eine akademische Ausbildung. Neben dem künstlerischen Rüstzeug erhalten sie aber nur wenig Informationen darüber, wie sie nach dem Studium von ihrer Kunst leben können. "Maler oder Bildhauer beispielsweise  leben deutlich weiter oben im Elfenbeinturm. Das ist ein Problem. Dafür beobachten wir zum Beispiel bei den Designern oder Fotografen andere Probleme. Sie absolvieren Studiengänge, bei denen sie heute wegen ihrer Marktnähe nicht selten mit betriebswirtschaftlichen Themen in Berührung kommen. Nicht schlecht.  Aber was es heißt, als Kreative wirklich selbständig zu sein, wird nach unserer Erfahrung an den betreffenden Hochschulen nur unzureichend vermittelt", so die Erfahrung von Johannes Tomm vom Aachener GründerZentrum Kulturwirtschaft e.V.

Ausnahmen bestätigen diese Regel. Kreative schon während ihrer Ausbildung auf eine erfolgreiche Selbständigkeit vorzubereiten: Dieses Ziel haben sich zum Beispiel die Projekte Kultur.Unternehmen.Dortmund der Technischen Universität Dortmund und der Fachhochschule Dortmund sowie MEDIA EXIST an der Hochschule für Film und Fernsehen Konrad Wolf (HFF) in Potsdam-Babelsberg auf die Fahnen geschrieben. Beide Projekte werden im Rahmen des BMWi-Förderprogramms EXIST - Existenzgründungen aus der Wissenschaft dabei unterstützt, für mehr Gründungen aus der Hochschule zu sorgen. 

Für den Weg in die Selbständigkeit bieten die Dortmunder ihren Studierenden "Culturepreneurship-Coaches" an, die in den kulturwissenschaftlichen Fachbereichen oder Fakultäten eine Erstberatung anbieten und Gründungswillige gezielt mit Partnern, Experten oder Fördermittelgebern zusammenbringen. Auch die HFF in Potsdam-Babelsberg will ihre Studierenden frühzeitig aufs "Unternehmerleben" vorbereiten: beispielsweise im GründerInnencenter Medien, das Lehrveranstaltungen, Beratungen und Coachings anbietet. Dazu gehört auch eine regelmäßige Ringvorlesung mit Expertinnen und Experten aus anderen Hochschulen und der Medienwirtschaft zu allen Fragen der Selbständigkeit.

Auf die geht man auch im Career & Transfer Service Center der Universität der Künste Berlin (UDK) gezielt ein: etwa in Workshops, im Rahmen der Sommerakademie Marketing oder auch durch individuelle Beratung und Begleitung, etwa bei der Selbstpositionierung junger Künstlerinnen und Künstler. Das Angebot gilt sowohl für Studierende der UDK als auch der Hochschule für Musik "Hanns Eisler", der Kunsthochschule Berlin - Weißensee sowie der Hochschule für Schauspielkunst "Ernst Busch". Absolventinnen und Absolventen können bis zu zehn Jahre nach Abschluss ihres Studiums auf die Unterstützung des Centers zurückgreifen.

Letztlich müsse es aber bei sämtlichen Beratungsangeboten darum gehen, allen kreativen und künstlerisch Tätigen klar zu machen, dass sie Unternehmerin oder Unternehmer sind, ohne dass sie damit ihre kreative bzw. künstlerische Arbeit beschneiden müssen. "Im Gegenteil: Wer am Markt Erfolg haben will, muss kreativ sein: bei der Entwicklung des richtigen Produkts oder für ein geschicktes Marketing," so Johannes Tomm. Oder, wie es Phil Knight, der Gründer von Nike, einmal formuliert hat: "Ein Unternehmen bauen ist so kreativ wie ein Bild malen oder ein Buch schreiben."

Kosten und Förderung von Beratung und Coaching

Kostenlos:
die Beratungsangebote der Regionalbüros, Industrie- und Handelskammern oder Handwerkskammern, der Berufsverbände, der kommunalen oder regionalen Gründungsinitiativen, der kommunalen Wirtschaftsförderung, zum Teil auch die spezialisierte Beratungsangebote für Kreative und Kulturschaffende

Kostenpflichtig:
selbständige Gründungs- und Unternehmensberater, die beispielsweise Mitglied im Bundesverband Deutscher Unternehmensberater (BDU) e.V., der Vereinigung Beratender Betriebs- und Volkswirte e.V. (VBV) oder im Bundesverband der Wirtschaftsberater e.V. (BVW) sind sowie zum Teil auch die spezialisierten  Beratungsangebote für Kreative und Kulturschaffende

Zuschüsse:
Beratungen können durch Zuschüsse gefördert werden:

Weiterführende Informationen