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18.04.2011 -

"...Künstler sein dagegen sehr" Unternehmerisches Know-how für Kultur- und Kreativschaffende

Einleitung

Qualifizierungsangebote für Gründerinnen, Gründer und Selbständige: Wer bietet was?

"StartUp" Kreativwirtschaft

Kultur- oder Kreativschaffen als Profession, als Arbeit, als Brotberuf: Das sind und bleiben für viele Akteure der Kultur- und Kreativwirtschaft zwei verschiedene Paar Schuhe. Und auch diejenigen, die mit ihrem Schaffen durchaus das Geld für den Lebensunterhalt verdienen wollen, stoßen an Grenzen: an die des Marktes, seiner Regularien und Herausforderungen. Wie auch immer: Wer von seiner kreativen Arbeit leben will, kommt um ein gewisses unternehmerisches Denken und Handeln und das "Handwerkszeug" dafür nicht herum. Gar nicht so einfach.

"Das sind Künstler", sagt Martin Wendel und zuckt mit den Schultern. "Darstellende oder Bildende Künstler, Musiker. Die sind anders gepolt." Martin Wendel ist Gründungsberater des Instituts für Freie Berufe an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg. Viele derjenigen, die hier eine Gründungsberatung absolvieren, sind angehende Freiberufler in der Kultur- und Kreativwirtschaft. "Die haben oft keinen blauen Dunst vom Sinn und Zweck der Buchführung, keine Ahnung von Marketing, keine Vorstellung von anfallenden Steuern."

Jürgen Enninger wird konkreter. Er ist Ansprechpartner des Regionalbüros Bayern, eines von acht Regionalbüros, die das Kompetenzzentrum Kultur- und Kreativwirtschaft bundesweit unterhält und die erste Anlaufstelle für Rat Suchende Kreative. "Es geht bei vielen um das kleine Einmaleins der Betriebswirtschaft.

Kostenrechnung. Für viele Kreative, beispielsweise für die vielen kleinen Off-Theatern oder Musik- und auch Theaterfestivals, ist sicherlich wichtig zu erfahren, wie sie einen Überblick über die Kosten erhalten. Die meisten arbeiten fachlich sehr gut. Allerdings fehlt oft jemand, der nachrechnet: Welche Produktion in der Saison war erfolgreich? Welche weniger?"

Marketing. Eines der Hauptproblemfelder, bestätigt Jürgen Enninger, sei in der Tat das Marketing. So würden Kreative, die beispielsweise mit einem Produkt auf Messen gehen, diese selten gründlich vor- oder nachbereiten. Dazu komme, so Jürgen Enninger, dass bei nicht mehr ganz jungen Kreativen eine geringe Affinität zum Internet festzustellen sei. "Manche sehen die Notwendigkeit einer Homepage gar nicht. Und die sozialen Netzwerke werden nicht verstanden, oft auch abgelehnt." Bei Produkten, Büchern etwa, fehle oft zudem jede Vorstellung, welchen Vertriebsweg das Produkt nehmen könnte, um in den Handel und darüber zum Kunden zu gelangen.

Kundenakquise. Eine besondere Herausforderung sei für Kreative darüber hinaus üblicherweise die Kundenakquise: Wie findet man potenzielle Kunden oder Vertriebspartner? Wie spricht man sie an? Jürgen Enninger: "Viele Kreative verschicken Flyer oder E-Mails. Und auf meine Nachfrage `Haben Sie denn ihre Empfänger nach dem Aussand noch mal angerufen?' kommt meist die Antwort: 'Nein, DIE müssen sich doch jetzt melden'."

Selbstmarketing und Persönlichkeitstraining. Nicht zu vergessen die Anforderungen, die an die Person der oder des Kreativen gestellt werden, ergänzt Dr. Maria Kräuter. Sie ist Beraterin und Trainerin für Gründerinnen, Gründer und Selbständige im Kultur- und Medienbereich. "Es geht um den oftmals dringenden Bedarf nach einem professionellem Selbstmarketing und einem dafür erforderlichen Persönlichkeitstraining: Wie verkaufe ich mich selbst am besten? Wie muss ich dafür rüberkommen? Wie aussehen? Wie sprechen?" Apropos Persönlichkeitstraining, schließt Jürgen Enninger hier an. Es gebe Beratungskunden, mit denen man erst einmal klären muss, wo sie hinwollen und was ihr Lebensziel ist.

Qualifizierung: keine Nachfrage?

Ein Großteil der Kreativen und Kulturschaffenden absolviert eine akademische Ausbildung. Neben dem künstlerischen Rüstzeug erhalten sie aber nur wenige Informationen darüber, wie sie nach dem Studium von ihrer Kunst leben können. "Nehmen Sie beispielsweise Designer oder Fotografen: Die absolvieren Studiengänge, bei denen sie heute wegen ihrer Marktnähe durchaus mit betriebswirtschaftlichen Themen in Berührung kommen. Aber was es heißt, als Kreative wirklich selbständig zu sein, wird nach unserer Erfahrung nur unzureichend vermittelt", so die Erfahrung von Johannes Tomm vom Aachener GründerZentrum Kulturwirtschaft e.V.

Wobei dies nicht unbedingt an den fehlenden Qualifizierungsangeboten liege, gibt Jürgen Enninger zu bedenken. So gebe es im Rahmen der Ausbildung zuweilen konkrete Offerten, die aber wirkungslos verpufften. "Beispielsweise existiert an der Münchner Musikhochschule Betriebswirtschaft als freiwilliges Lehrangebot. Aber das wird einfach nicht wahrgenommen."

Eine solche fehlende Nachfrage liege dabei meist in der Befindlichkeit der Zielgruppe begründet, weiß Martin Wendel: "Da gibt es die Leute, die von ihrer künstlerischen oder kreativen Idee so begeistert sind, dass sie überhaupt nicht daran denken, ob das, was sie anbieten wollen, jemand braucht. Ist das Produkt überhaupt absatztauglich?"

Dieser Befindlichkeit wegen würde sie in diesem Zusammenhang auch nicht von Qualifizierungsdefiziten sprechen wollen, ergänzt Maria Kräuter. "Das Problem, das beispielsweise Designern, Musikern, Schauspielern oder Malern zu schaffen macht, ist ihre Distanz zu den Erfordernissen des Marktes. Sie weigern sich, in betriebswirtschaftlichen Kategorien zu denken. Qualifizierung und Professionalisierung bedeutet daher auch, ihnen klar zu machen, dass Betriebswirtschaft nichts Böses ist. Sondern etwas, das ihnen hilft."

Qualifizierungsangebote für Gründerinnen, Gründer und Selbständige: Wer bietet was? Die folgende Übersicht ist eine Auswahl, soll einen Überblick vermitteln und erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit.

Hochschulen: Gründungsberatung

Immer mehr (Kunst)Hochschulen bieten praxisorientierte Beratung und Veranstaltungen für gründungsinteressierte Studierende, Absolventinnen und Absolventen an. Darüber hinaus gibt es auch eine Reihe von Studiengängen sowie Professionalisierungs-Module, die auf eine selbständige Tätigkeit in der Kultur- und Kreativwirtschaft vorbereiten.

Beratung für gründungsinteressierte Studierende, Absolventinnen und Absolventen (Auswahl)

Die folgenden kunst-, medien- und designorientieren Hochschulen bieten Beratung sowie weitere Leistungen für gründungsinteressierte Studierende, Absolventinnen und Absolventen an:

Darüber hinaus kooperieren in den Bundesländern viele der Anlaufstellen für (angehende) Selbständige in der Kultur- und Kreativbranche mit den Hochschulen in der Region. Eine Übersicht der Beratungs- und Informationsangebote in den Bundesländern finden Sie hier.

Hochschulen: "Career Services" für Kreative

"Career Services" an Hochschulen bereiten Studierende und Absolventen auf den Einstieg in die Arbeitswelt vor: vor allem auch in die berufliche Selbständigkeit. Viele dieser Services haben Spezialangebote für Ihre Studierenden im Kreativbereich.

Gründungsservice an der Filmuniversität Babelsberg KONRAD WOLF
Der Gründungsservice der Filmuniversität Babelsberg unterstützt kreative Gründungsinteressierte von der ersten Idee bis zur Übergangsphase in den Markt. Studierenden, Mitarbeiter, Alumni und ihren Kooperationspartner erhalten hier sensibilisierende und qualifizierende Services für alle Prozess‐ und Entwicklungsphasen der Gründung: Erstberatungen, Trainings, Begleitung, Coaching durch externe Dienstleister und Mentoring durch Branchen-Insider sowie Marketing‐ und Netzwerkdienstleistungen für erfolgreiche Best Practice Gründungen.

Das übergreifende Ziel des Gründungsservices ist es, die hohe Gründungsneigung der Film- und Medienschaffenden in besonders nachhaltige, stärker teambasierte und innovativere Existenzgründungen zu überführen. Der Gründungsservice ist gefördert durch das Ministerium für Arbeit, Soziales, Frauen und Familie sowie das Ministerium für Wirtschaft und Energie aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds und des Landes Brandenburg.

www.filmuniversitaet.de

UniKasselTransfer | Career Service

UniKasselTransfer bietet ca. 20 Veranstaltungen pro Semester an. Dabei handelt es sich um Workshops und Vorträge zu Themen wie "Selbständigkeit für Künstler und Designer", "Selbständigkeit für geistes- und sozialwissenschaftliche Studierende" oder "Schutz durch Patente, Marken und Designs".


Career & Transfer Service Center der Universität der Künste Berlin

Das Career & Transfer Service Center der UdK Berlin (CTC) unterstützt Studierende und Alumni (bis 10 Jahre nach Studienabschluss) durch Workshops bei der erfolgreichen Positionierung in der Kultur- und Kreativwirtschaft sowie bei allen wichtigen Fragen zur Existenzgründung und Existenzsicherung. Teilnehmen können (ehemalige) Angehörige der Universität der Künste Berlin, der Hochschule für Musik Hanns Eisler, der Kunsthochschule Berlin-Weißensee und der Hochschule für Schauspielkunst "Ernst Busch". Themenbeispiele: Soziale Absicherung & Steuern, Finanzierung, Recht & Verträge, Selbstpositionierung & Marketing, Präsentation & Projektmanagement.


Transferzentrum Burg Giebichenstein

Das Transferzentrum der Burg Giebichenstein bietet Studierenden und Absolventen Qualifizierung für den Berufseinstieg an. Eine Veranstaltungsreihe mit Workshops und Vorträgen vermittelt arbeitsmarktrelevante Schlüsselkompetenzen für den Berufsstart: beispielsweise durch Einblicke in das Berufsfeld von Designern oder Best-Practice-Beispiele von Unternehmen, deren Geschäftserfolg auf guter Gestaltung gründet. Oder die Vorstellung von Galerien, Sammlern, Kunstvereinen für Bildende Künstler, um deutlich zu machen, wie der Kunstmarkt funktioniert.

Das Transferzentrum kooperiert mit den Transferzentren an sechs weiteren Hochschulen des Landes Sachsen-Anhalt. Es wird im Rahmen des Operationellen Programms aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds und des Landes Sachsen-Anhalt gefördert.

Verbände & Kammern, Gewerkschaft

Berufs- und Branchenverbände, Kammern

Berufs- und Branchenverbände (Bundes- und Landesverbände) sowie Kammern organisieren Qualifizierungsmaßnahmen oder bieten auch selbst Gründungsberatung und Fachpublikationen an.

  • Branchen: alle Teilmärkte der Kultur- und Kreativwirtschaft
  • Weitere Informationen: www.kultur-kreativ-wirtschaft.de (Eine Übersicht der Berufs- und Branchenverbände finden Sie hier.)


Industrie- und Handelskammern oder Handwerkskammern

Branchenübergreifende Qualifizierungsangebote gibt es bei den Industrie- und Handelskammern oder Handwerkskammern, vor allem zu betriebswirtschaftlichen Themen. Ihre Angebote sind zwar selten exakt auf die Zielgruppe "Kreative" ausgerichtet. Dafür wirkt die Mischung der unterschiedlichen Branchenangehörigen - so die Erfahrung von Beratungsexperten - umso anregender. Denn: Probleme und Anforderungen sind für Gründerinnen, Gründer und Selbständige - unabhängig von ihrer Tätigkeit und Branche - grundsätzlich immer gleich.

  • Branchen: alle Teilmärkte der Kultur- und Kreativwirtschaft
  • Weitere Informationen: www.ihk.de; www.zdh.de

 

ver.di - Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (Bundes- und Landesebene)

Die Dienstleistungsgewerkschaft ver.di berät Solo-Selbständige und freie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Bundesweit werden Fortbildungsveranstaltungen angeboten zu: Akquisitionstraining, Zeit- und Selbstmanagement, Kundenzielgruppen-Bestimmung, Ermittlung des Werts der eigenen Arbeit oder auch Grundlagenseminare zum Thema: "Was Selbständige für ihr Geschäft wissen müssen". Weitere Informationen - etwa zu Steuerfragen, Versicherungen oder zum Urheberrecht - sowie individuelle telefonische Beratung bietet ver.di auf der Internetplattform Mediafon an.

  • Branchen: alle Teilmärkte der Kultur- und Kreativwirtschaft (außer Architekturmarkt)
  • Weitere Informationen: www.mediafon.net

 

Darüber hinaus gibt es privatwirtschaftliche Anbieter, die Kurse, Seminare, Fortbildungsangebote oder auch berufsbegleitende Lehrgänge für Kreativschaffende anbieten. Die Adressen sind über die Berufsverbände oder über die nachfolgend aufgeführten Datenbanken erhältlich.

Netzwerke

Neben "institutionalisierter" Angebote im Bereich Professionalisierung für Kreative und Kulturschaffende, haben sich in den letzten Jahren auch viele Angebote "von der Szene für die Szene" entwickelt. Etwa:

  • Gründerzentren. Das Aachener GründerZentrum Kulturwirtschaft e.V. versteht sich als Brücke zwischen Kultur und Wirtschaft. Es bietet Beratung, professionelle Begleitung und praxisnahe Workshops für Gründerinnen und Gründer der Kultur- und Kreativwirtschaft an.
  • BarCamps. Dabei handelt es sich um informelle Netzwerker-Treffen, deren Verlauf und Ergebnis offen sind. Motto: Voneinander lernen; keine Zuschauer, nur Teilnehmer.
  • Free Culture Incubator Workshopreihe. Die Veranstaltungsreihe wird von verschiedenen Partnern und Initiativen in Berlin veranstaltet. Das Konzept: Ein Jahr lang jeden Monat ein Workshop - mit wechselnden Partnern aus der Kultur- und Kreativszene als Gastgeber - mit dem Ziel, Wissen auszutauschen, die kreative Szene sichtbar zu machen und unternehmerisch zu stärken. www.transmediale.de
  • Kreativzentren oder Kreativquartiere. Hier finden Kreative - meist als Dauermieter - zusammen, um im engen Kontakt miteinander zu arbeiten, sich auszutauschen und voneinander zu lernen. Beispiele:

    • Das Kölner creative centre 4711, das im ehemaligen Verwaltungsgebäude des Duftwasserherstellers 4711 entstanden ist und in dem rund 70 Firmen aus der Musikszene ihre neue Heimat gefunden haben. www.sound-of-cologne.com
    • Das Mainzer PENG, das sich als Wohnzimmer, Treffpunkt, soziales Netzwerk, Arbeitsraum, Ausstellungsraum, Spielwiese und gemeinsame Werkstatt für Design, Kunst und Kommunikation versteht. www.pengland.de
    • Die Nachrichtenmeisterei aus Kassel, ein selbstverwalteter Zusammenschluss von Kreativschaffenden in einem ehemaligen Industriekomplex: als Sitz für Start-ups, mit Studios für Foto, Ton, Video- und Multimediastudio, Holz- und Metallwerkstatt sowie Bandproberäumen. www.nachrichtenmeisterei.de

Datenbanken

KURSNET Aus- und Weiterbildungsangebote

KURSNET ist das größte Portal für berufliche Aus- und Weiterbildung in Deutschland. Es informiert bundesweit, tagesaktuell, schnell und kostenlos über mehr als 450.000 Angebote der beruflichen Bildung - vom Überblick über den Bildungsmarkt bis zu Detailinformationen der einzelnen Veranstaltung. Der besondere Fokus liegt auf dem Bereich beruflichen Weiterbildung. Aufgenommen werden alle Kurse mit Berufsbezug und freiem Zugang und einer Mindestdauer von vier Unterrichtsstunden.


Liquide

Liquide - eine Datenbank des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln - enthält Adressen von Weiterbildungsanbietern.

  • Branchen: alle Teilmärkte der Kultur- und Kreativwirtschaft
  • Weitere Informationen: http://liquide.de

 

Datenbank "Studium Kultur"

Im Rahmen des Forschungsprojekts "Studium Kultur und der Arbeitsmarkt für kulturvermittelnde und interkulturelle Tätigkeitsfelder" hat das Institut für Kulturpolitik der Kulturpolitischen Gesellschaft e.V. eine Online-Datenbank geschaffen. Sie soll einen qualifizierten Überblick über Studienangebote der Kulturvermittlung und Interkultur geben und enthält z.Zt. Profile von ca. 310 Studienangeboten. Das Projekt wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert.

Förderung von Qualifizierungsmaßnahmen

Zuschüsse:

Qualifizierungsmaßnahmen können durch Zuschüsse gefördert werden:

Bildungsprämie

Qualifizierungen können durch die Bildungsprämie (bis einschließlich zum 31.05.2012) finanziell gefördert werden. Voraussetzung dafür ist, dass die Anbieter von Qualifizierungen eine Zertifizierung für die Bildungsprämie vorweisen können. Bei der Bildungsprämie handelt es sich um einen Zuschuss bis zu 500 Euro für ein zertifiziertes Bildungsangebot. Konkret bedeutet dies: Der Teilnehmer zahlt bis zu 500 Euro weniger für das zertifizierte Angebot. Der Zuschuss wird an den Anbieter ausgezahlt. Weitere Informationen: www.bildungspraemie.info

 

Weiterführende Informationen