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29.07.2013 -

Touring Artists - Die Mobilität von Kunst- und Kreativschaffenden fördern

Einleitung

Mobilität war immer schon Teil künstlerischer Praxis. Das Sammeln und Verarbeiten neuer Eindrücke, der Austausch mit fremden Kulturen und die kontinuierliche Verlagerung des eigenen Standpunkts und Blickwinkels gehören seit jeher zu künstlerischer Arbeit. Dabei ging es allerdings zuallererst um das eine: Inspirationen zu sammeln. Die weite Welt war der Brainpool, nicht der Markt. Zunehmend rücken aber auch wirtschaftliche Gründe für Künstlerinnen und Künstler, mobil zu sein, in den Vordergrund.

Mobilität fördern: Was? & Wie?

Im letzten Jahrzehnt wurde die Mobilität von Kultur- und Kreativschaffenden zunehmend auch auf der politischen Agenda thematisiert. Dabei überrascht es nicht, dass das Hauptinteresse an der Mobilität von Künstlerinnen und Künstlern in erster Linie ökonomischer Natur ist: Mobilität erweitert die Möglichkeiten, kulturelle Güter und Dienstleistungen zu produzieren und auszutauschen. Dies wiederum stellt einen bedeutenden Nutzen für die Volkswirtschaft dar: Arbeitsplätze werden geschaffen, Innovation und Kreativität fließen in andere Bereiche und Branchen ein. Diese positiven Auswirkungen der Mobilität decken sich mit den strategischen Zielen in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union. Darum wird die grenzüberschreitende Mobilität der Kulturakteure und der transnationaler Austausch künstlerischer und kultureller Erzeugnisse gefördert. So fasst es Richard Polácek, unabhängiger Berater für Kultur- und Sozialpolitik, in einem Artikel zur Mobilität von Kunst- und Kulturschaffenden in der EU-Kulturpolitik zusammen. 

Neben den "klassischen" Fördermaßnahmen zur Mobilität - Künstler- und Autoren-Residenzen, Reise-, Weiterbildungs- und Forschungsstipendien - ist laut einer von der Europäischen Kommission beauftragten Studie zur Mobilitätsförderung, "Mobility Matters", in vielen Ländern ein Trend zu solchen Formen der Mobilitätsförderung erkennbar, die Kreativität und/oder Produktivität durch gemeinsame Projekte oder (Ko-)Produktionen erzielen wollen: Internationale Projekt- oder Produktionsförderung, z.B. als Übersetzungsförderung oder für die Teilnahme an Filmproduktionen; oder auch die Förderung von internationalen Tourneen, z.B. von Musik- oder Tanz-Ensembles; oder die Unterstützung der Teilnahme an internationalen Festivals und anderen Events. 

Einige Staaten setzen verstärkt auf Exportförderung und auf Förderung der Mobilität in Richtung auf die sich rasch entwickelnden Kulturmärkte in bestimmten Weltregionen, z.B. nach China, Indien oder in die Golfstaaten.

Quellen: Richard Polácek, Mobilität von Kunst- und Kulturschaffenden in der EU-Kulturpolitik. In: www.touring-artists.info. 26.06.2013;  ERICarts, Mobility Matters. Programmes and Schemes to Support the Mobility of Artists and Cultural Professionals. Study for the European Commission. 2008

Künstlermobilität: Trends & Hindernisse

Systematische und verlässliche Daten über die zunehmende Mobilität von Künstlern und Kulturschaffenden, ihre tatsächliche Mobilität und ihren eventuellen Mobilitätsbedarf gibt es aktuell nicht. Allerdings lassen sich nach der Studie "Mobility Matters" drei Gruppierungen unterscheiden:

  • diejenigen, die mobiler werden möchten. Dabei geht es einerseits um Mobilität aus eigenem Entschluss, um etwa neue Erfahrungen zu sammeln. Ebenso kann es sich aber auch um eine berufliche Überlebensfrage handeln. Wo letzteres zutrifft, wird oft das Problem einer mangelnden (öffentlichen) Förderung oder Infrastruktur im Herkunftsland genannt, darunter auch die Entwicklung lokaler Märkte.
  • diejenigen unter den Künstlern und Kulturschaffenden, die bereits mobil sind oder bei denen die Mobilität zum beruflichen Alltag gehört. Hier ist der Abbau bürokratischer und anderer Hindernisse besonders wichtig, insbesondere im Bereich der sozialen Sicherheit, der Besteuerung oder von Visa-Vorschriften (außerhalb der EU).
  • diejenigen, für die kein aktueller Handlungsbedarf in Sachen Mobilität zu bestehen scheint, weil sie z.B. als Künstler in einer Metropole leben, die als internationaler 'hot spot' gilt oder weil sie glauben, als spezialisierte Fachkräfte einen sicheren Job oder als Freiberufler sichere Aufträge zu haben. Diese Haltung nimmt - laut Studie - dort zu, wo mit der Mobilität zusätzliche Schwierigkeiten auftreten, wie etwa die Trennung von Familie und Freunden oder die Notwendigkeit eine andere Sprache zu erlernen. Anreize für mehr Mobilität sind hier als politische Herausforderung zu sehen.

Fakt ist: In Zeiten einer globalisierten Kunstwelt und internationaler Förderstrukturen gibt es neben den inhaltlichen Aspekten zunehmend wirtschaftliche Gründe für Künstlerinnen und Künstlern, mobil zu sein. Es geht vor allem um die Vermarktung der Inhalte. Nur wer international in Erscheinung tritt, kann langfristig auf Erfolg hoffen.

Herausforderungen, so noch einmal Richard Polácek, sind dabei insbesondere komplizierte Verwaltungsverfahren, z.B. in Hinblick auf Visa und Arbeitserlaubnisse für außereuropäische Kunst- und Kulturschaffende. Kürzungen im Zuge der Wirtschafts- und Finanzkrise wirken sich auch auf Mobilitätsförderprogramme aus. Umweltauflagen werfen Fragen nach der ökologischen Verantwortung und Nachhaltigkeit kultureller Mobilität auf. Und schließlich hat die Digitalisierung einen immer größeren Einfluss auf die Künste und neuen Formen der Mobilität, wie beispielsweise die virtuelle Mobilität. In diesem Zusammenhang stellen sich z.B. komplexe Fragen zum Urheberrecht.

Quellen: Richard Polácek, Mobilität von Kunst- und Kulturschaffenden in der EU-Kulturpolitik. In: www.touring-artists.info. 26.06.2013;  ERICarts, Mobility Matters. Programmes and Schemes to Support the Mobility of Artists and Cultural Professionals. Study for the European Commission. 2008

Informationsbedarf & -angebote

Entsprechend der gestiegenen Mobilität von Künstlerinnen und Künstlern, sowohl innerhalb als auch außerhalb der EU-Grenzen, wächst der Informationsbedarf - insbesondere auch zu sozialrechtlichen, verwaltungstechnischen, steuerlichen oder versicherungstechnischen Themen.

Im internationalen Arbeitskontext entstehen z.B. folgende Fragen: Eine Galerie in Deutschland vereinbart ein Kooperationsprojekt mit einer Galerie im Nahen Osten. Wie kommen die Arbeiten an ihren jeweiligen Bestimmungsort und welche Zollformalitäten müssen erledigt werden? Eine umsatzsteuerpflichtige bildende Künstlerin in Deutschland verkauft ein Bild an eine Privatperson in Dänemark. Wo fällt die Umsatzsteuer an? Eine deutsche freischaffende Tänzerin geht für mehrere Monate nach Tschechien, um dort zu arbeiten. Bleibt sie weiterhin in Deutschland versichert? Müssen sich Künstlerinnen und Künstler, die in der Künstlersozialkasse versichert sind, zusätzlich um einen Schutz bei einem Krankheitsfall im außereuropäischen Ausland kümmern? Müssen Musikerinnen und Musiker aus dem außereuropäischen Ausland für die Einfuhr ihrer Instrumente bestimmte Zollformalitäten erfüllen? Ein brasilianisches Theater möchte den Text eines deutschen Stückes bearbeiten und übersetzen. Wie kann der Autor seine Rechte wahrnehmen?

Dieses sind nur einige der vielen konkreten Fragen rund um das internationale künstlerische Arbeiten. Fachverbände, Kultur- und berufsständige Organisationen auf internationaler, nationaler und regionaler Ebene geben Hilfestellung und unterstützten in unterschiedlicher Weise die Mobilität ihres Klientels.

So ist z.B. für Filmemacherinnen und Filmemacher die German Films Service + Marketing GmbH eine wichtige Institution. Sie ist das nationale Informations- und Beratungszentrum für den Export deutscher Filme und vermittelt unter anderem Ko-Produktionspartner, organisiert die Teilnahme an Festivals weltweit und gibt die wichtigsten Nachschlagewerke zum Thema heraus.

Der Rat für Formgebung/German Design Council realisiert nationale und internationale Ausstellungen und unterstützt junge Designerinnen und Designer auf dem Weg ins Ausland.

Das Netzwerk Architekturexport NAX der Bundesarchitektenkammer informiert Architekten und Stadtplaner umfassend über grenzüberschreitende Tätigkeiten und vermittelt Kontakte zwischen in-und ausländischen Kollegen, Bauherren und Investoren.

Seit mehr als fünf Jahren unterstützt die Initiative Musik mit vielfältigen Aktionen - z.B. Kurztourförderung, Gemeinschaftspräsentationen, Besucherprogrammen und Networking Events - deutsche Bands bei ihrem Weg ins internationale Musikgeschäft.

Das Portal www.touring-artists.info

Ein besonders umfangreiches Angebot und Antworten auf viele Fragen rund um das Thema Mobilität bietet seit April 2013 das Informationsportal www.touring-artists.info. Das Portal wurde für international mobile Künstlerinnen und Künstler - insbesondere aus den Bereichen der bildenden und darstellenden Künste - ins Leben gerufen. Zielgruppe sind dabei nicht nur in Deutschland lebende Künstlerinnen und Künstler, die temporär im Ausland arbeiten, sondern auch ausländische Künstlerinnen und Künstler, die zum Arbeiten nach Deutschland kommen. Auch die Perspektive von in Deutschland ansässigen Veranstaltern wird dabei berücksichtigt. 

Es bietet umfassende Informationen rund um das internationale künstlerische Arbeiten zu Themen wie Visa/Aufenthalt, Transport/Zoll, Steuern, Sozialversicherung, Berufshaftpflichtversicherung, Veranstaltungsversicherung oder Urheberrecht. Die Themengebiete sind systematisch für die Sparten "Darstellende Kunst" und "Bildende Kunst" aufgearbeitet. 

Die Internetplattform bietet einen fundierten Einstieg in die genannten Themen. Dabei liegt der Schwerpunkt auf den Gesetzeslagen und Verwaltungsverfahren in Deutschland: Rechtliche und administrative Fragen werden verständlich beantwortet. Außerdem helfen Checklisten und Verweise auf weiterführende Lektüre und Online-Informationstools, sowie Ansprechpartner und zuständige Stellen in den jeweiligen Verwaltungen weiter. 

Ein umfassendes Glossar, eine Mobilitätsbibliothek sowie ein Mapping von Mobilität unterstützenden Förderprogrammen in Deutschland - zugänglich über eine Förderdatenbank - ergänzen das Portal. Nicht zuletzt bietet touring artists ausländischen Künstlerinnen und Künstlern einen Einblick in die deutsche Kulturlandschaft. Die gesamten Informationen werden in deutscher und englischer Sprache zur Verfügung gestellt. 

www.touring-artists.info ist ein gemeinsames Projekt des Internationalen Theaterinstituts (ITI) Zentrum Deutschland (www.iti-germany.de) und der Internationalen Gesellschaft der Bildenden Künste (IGBK) (www.igbk.de), initiiert und gefördert vom Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien (BKM).

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