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13.09.2013 -

Creative Skills - kann man Kreativität lernen? Unterstützung für Gründerinnen, Gründer und Selbständige

Einleitung

Keine Frage: Kreativität ist für die Akteure in der Kultur- und Kreativwirtschaft das Salz in der Suppe. Für diejenigen, die als Kreative ihr Glück machen wollen oder die angehende Kreative auszubilden haben, stellt sich dabei allerdings die Frage: Was genau ist Kreativität? Was sind Creative Skills bzw. kreative Fertigkeiten? Gibt es so etwas wie einen "kreativen Werkzeugkasten"? Kann man kreative oder schöpferische Fertigkeiten erzeugen und fördern? Oder ist Kreativität ein Talent, mit dem man gesegnet ist oder eben nicht?

Nicht die Gabe einer guten Fee

Die gute Nachricht zuerst: Kreativität ist nicht etwa nur die Gabe einer guten Fee, wie Edward de Bono, einer der führenden Lehrer für kreatives Denken, es formuliert. Sie ist also nicht bei einigen Menschen einfach vorhanden, bei anderen nicht. Kreativität sei vielmehr "eine Fertigkeit, die wie Autofahren geübt und gelernt werden kann". 

Dabei geht es beim Kreativsein immer um die Neukombination von Informationen, sagt Rainer Holm-Hadulla, Kreativitätsforscher und Professor für Psychotherapeutische Medizin an der Universität Heidelberg. "Wir alle sind  in diesem Sinne alltäglich kreativ: zum Beispiel dann, wenn wir träumen. Und eine besondere Form der Kreativität ist, im wachen Zustand besonders originelle Neukombinationen zustande zu bringen". 

Wobei mit Originalität beispielsweise in der Wirtschaft auch Brauchbarkeit und Effektivität zu verstehen ist. Das heißt: Kreativität muss sich im Ernstfall an ihren Ergebnissen messen lassen, auch wenn sie für viele "Kreative" Selbstzweck und damit genau das Richtige sein mag. "Kreativität ist der Spaß, den man als Arbeit verkaufen kann", hat Andy Warhol seinerzeit über seine Kreativität zu Protokoll gegeben.

Kreativität und Kultur (-Wirtschaft)

Wenn man nun über die ernsthafte Kreativität in der Kultur- und Kreativwirtschaft nachdenke, so Christoph Backes, stoße man zunächst auf deren kreativen Kultur-Output. Christoph Backes ist Vorstands des u-instituts - Institut an der Hochschule Bremen. "Hier geht es um kreative Unternehmer. Deren Kreativität hat etwas mit ihren künstlerischen, schöpferischen, musischen Fähigkeiten zu tun. Diese Fähigkeiten resultieren aus ihrer spezifischen Ausbildung. Ein Architekt hat gelernt, Häuser zu planen. Eine Musikerin Klavierspielen und Fuge. Ein Theatermann kann nach seiner Ausbildung ein Werk in Szene setzen." 

Dazu komme, so Backes, die Kreativität, die es brauche, dieses Schöpferische unternehmerisch durchzusetzen. Dieser Umsetzung auf der Spur ist der Branchenpreis "Kultur- und Kreativpiloten Deutschland", der vom u-institut organisiert und durchgeführt wird, zusammen mit dem Kompetenzzentrum Kultur- und Kreativwirtschaft des Bundes. Förderer ist die Initiative Kultur- und Kreativwirtschaft der Bundesregierung. "Wir suchen Menschen, die mit einer besonderen kreativen oder kulturellen Idee unternehmerisch durchstarten möchten. Und genau darum bewerten die Jurymitglieder unseres Kultur- und Kreativpiloten-Wettbewerbs auch nicht unbedingt die originellste Idee, sondern die dahinterstehende Person: Hat sie den Willen und die persönliche Umsetzungskompetenz, die Idee an den Markt zu bringen?" Er denke bei dieser Herausforderung immer an Johannes Stüttgen, einen Assistenten und Mitarbeiter von Joseph Beuys. Der habe eine Installation an den Ausgang der Düsseldorfer Kunstakademie platziert, auf der geschrieben stand: Von hier ab Straße (sprich: der Markt).

Kreativität als berufliche Kernkompetenz

Dabei verlangen Straße und Markt nicht allein von Künstlern und Kreativen zunehmend Creative Skills oder kreative Fertigkeiten. Immerhin: Kreativität, so das Gabler Wirtschaftslexikon, bezeichnet die Fähigkeit, in phantasievoller und gestaltender Weise zu denken und zu handeln. Damit ist gemeint: Sie ist wichtig, um im Leben gestellte Aufgaben zu bewältigen, Herausforderungen zu meistern oder Probleme zu lösen. Das betrifft auch das profane Arbeitsleben. So hat das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) Köln in einer Unternehmensbefragung festgestellt, dass Unternehmen von ihren Azubis zunehmend kreative Fertigkeiten erwarten. Zwar ist ihnen nach wie vor wichtig, dass Schulabsolventen zumindest einfache Briefe und Zeitungstexte verstehen, sich mündlich verständlich ausdrücken können und die Grundrechenarten beherrschen. Darüber hinaus erwarten sie, so Helmut E. Klein, Senior Researcher des IW, "dass Angestellte in der Lage sind, auf bestimmte Problemstellungen angemessen zu reagieren. Lösungen zu finden. Wichtig ist ihnen auch geistige Beweglichkeit, also die Fähigkeit, einmal Gelerntes in andere Kontexte zu übertragen." Die Hälfte der befragten Unternehmen befand diese personalen und analytischen Kompetenzen für genauso wichtig wie die Fähigkeit, zu lesen und zu schreiben. Jedes zehnte Unternehmen gewichtete sie sogar höher als etwa die Beherrschung  grundlegender Lesetechniken. Der Grund dafür, so Klein, sei naheliegend: "Fähigkeiten wie Lesen, Schreiben, Rechnen sind selbstverständlich nach wie vor gefragt. Sie lassen sich aber durch Nachhilfeunterricht eher nachqualifizieren als personale Kompetenzen wie beispielsweise Kreativität."

Kreativität kann und muss geübt und gefördert werden

Dabei lässt sich Kreativität sehr wohl lernen und fördern. Auch wenn, so Prof. Holm-Hadulla, eine außergewöhnliche Kreativität durchaus auf Talent und Begabung zurückzuführen sei. "Man kann zwar keine Talente züchten. Aber man kann sie entdecken und fördern." 

Verfügbares nutzen und neu kombinieren

Nun sei mit fördern keinesfalls gemeint, einen kreativen Werkzeugkasten mit den richtigen Werkzeugen auszustatten. Wer Kreativität entwickeln wolle, müsse vielmehr bei den Grundbedingungen dafür ansetzen, dass Informationen tatsächlich neu kombiniert werden. Eine davon: Wissen und Können. "Das Gehirn kann nur das originell neu kombinieren, was auch in ihm gespeichert ist. Der kreative Funke kann nur das entzünden, was da ist. Das führt zu dem schlichten Ratschlag für alle, die kreativ sein wollen: Lernen Sie. Eignen Sie sich genügend Vorwissen an." 

Für das, was dann geschieht, nämlich kreative Querverbindungen zwischen den bislang voneinander getrennten Wissensinseln herzustellen, raten Kreativtrainer, die bisherigen Verbindungen grundsätzlich in Frage zu stellen, auseinanderzunehmen und nicht für selbstverständlich zu halten. Wer dies nicht schaffe, dem drohe Betriebsblindheit. Dieses Prinzip der Dekonstruktion ist übrigens auch ein Element des vom Schweizer Unternehmensberater Alexander Osterwalder entwickelten Tools mit dem Namen "Business Model Canvas". Mit seiner Hilfe kann man Geschäftsmodelle (um die es ja u.a. in der Kultur- und Kreativwirtschaft geht) auf spielerische Weise verändern. Indem man beispielsweise mit scheinbar wiedersinnigen Fragen an ihren Grundpfeilern rüttelt: Was wäre, wenn ich mein Produkt kostenlos anbieten würde? "Viel zu oft verlieben sich Startup-Unternehmer in ihre erste Geschäftsmodell-Idee. Das ist ein Riesenproblem, weil sie dann nicht das beste Geschäftsmodell angehen, sondern das erste", so Osterwalder im Online-Interview mit der Ragazzi Group. 

Kochen ohne Rezept

Für den Weg zum kreativen Geschäftsmodell hat das u-institut eine griffige Losung geprägt: Kochen ohne Rezept. Christoph Backes: "Wir planen unser Handeln doch klassischerweise so: Das ist das Ziel. Also benötige ich diese und jene Mittel, um das Ziel zu erreichen. Diese Mittel beschaffe ich. Und los geht's. Kreative arbeiten anders. Sie gehen von den zur Verfügung stehenden Mitteln aus und fragen sich: Was lässt sich daraus stricken? Eine Art professionelles Durchwurschteln. Wer ein Essen nach dieser Maxime zubereitet, schaut nach, was er im Kühlschrank hat und macht das Beste daraus." 

Ruhe und Motivation

Wobei das Beste, so Prof. Holm-Hadulla, nur im Ruhemodus des Gehirns zustande komme. "Das ist - glaube ich - die allerwichtigste Kreativitätstechnik überhaupt: diesen Ruhemodus des Gehirns zuzulassen. Der eine macht es beim Schwimmen, der andere beim Spazierengehen, der dritte beim Abwasch oder unter der Dusche. Jeder kann das ausprobieren." 

Mit dem Ruhemodus allein sei es dabei nicht getan. Besondere kreative Leistungen, so Prof. Holm-Hadulla, entstehen nie ohne eine besondere Motivation. "Also das Interesse an der Sache. Die man so gut machen möchte, wie es geht. Nicht des Geldes oder Ruhmes wegen. Ich glaube nicht, dass Mozart, Picasso oder Goethe etwas machen wollten, um berühmt zu werden oder Geld zu verdienen. Was sie gemacht haben, das mussten sie machen." 

Anspannung und Entspannung

Der Weg zum guten Werk sei dabei in aller Regel beschwerlich. Denn: "Zum Kreativen gehört auch, viele Einfälle wegzulassen und dann einen Einfall, eine Idee, herauszugreifen und auszuarbeiten. Auch diese Ausarbeitung ist immer ein Zustand des Noch-Nicht. Das erzeugt Anspannung. Die muss man ertragen können". 

Auch dafür, diese Anspannung erträglich zu machen, müsse man schließlich für die richtigen Umgebungsbedingungen für's Kreativsein sorgen. Dazu gehören, so Prof. Holm-Hadulla, vor allem Rituale wie beispielsweise Tag- oder Nachtarbeit, eine bestimmte Zahl von Arbeitsstunden oder ein besonders geordneter Schreibtisch. "Diese Rituale schützen den kreativen Prozess. Denken Sie an Gabriel García Márquez, den kolumbianischen Schriftsteller, der so wunderbar aus dem vollen Leben schöpft. Ich war ganz erschrocken, aber auch nachdenklich, als ich erfahren habe, wie ritualisiert der schreibt. Mit ganz pünktlichem Beginn, die Rose muss rechts stehen, erst dann öffnet er seinen Computer." 

Unter dem Strich führe diese letzte Einsicht zur eigentlich besten Antwort, die man auf die Frage nach Creative Skills für kreative Arbeiter geben könne: "Finden Sie die richtige Zeit, den richtigen Ort und die richtigen Freiräume. Laufen Sie vor den kreativen Spannungen nicht weg. Seien Sie auch hier kreativ und finden Sie heraus, was Ihrer Kreativität gut tut. Und was nicht." 

Übrigens: Wer dafür noch auf der Suche ist, dem sei Dämmerlicht wärmstens empfohlen: Dabei sind Menschen eindeutig kreativer als bei Helligkeit, wie eine Studie der Universität Hohenheim herausgefunden hat. Und mutiger.

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