Dabei lässt sich Kreativität sehr wohl lernen und fördern. Auch wenn, so Prof. Holm-Hadulla, eine außergewöhnliche Kreativität durchaus auf Talent und Begabung zurückzuführen sei. "Man kann zwar keine Talente züchten. Aber man kann sie entdecken und fördern."
Verfügbares nutzen und neu kombinieren
Nun sei mit fördern keinesfalls gemeint, einen kreativen Werkzeugkasten mit den richtigen Werkzeugen auszustatten. Wer Kreativität entwickeln wolle, müsse vielmehr bei den Grundbedingungen dafür ansetzen, dass Informationen tatsächlich neu kombiniert werden. Eine davon: Wissen und Können. "Das Gehirn kann nur das originell neu kombinieren, was auch in ihm gespeichert ist. Der kreative Funke kann nur das entzünden, was da ist. Das führt zu dem schlichten Ratschlag für alle, die kreativ sein wollen: Lernen Sie. Eignen Sie sich genügend Vorwissen an."
Für das, was dann geschieht, nämlich kreative Querverbindungen zwischen den bislang voneinander getrennten Wissensinseln herzustellen, raten Kreativtrainer, die bisherigen Verbindungen grundsätzlich in Frage zu stellen, auseinanderzunehmen und nicht für selbstverständlich zu halten. Wer dies nicht schaffe, dem drohe Betriebsblindheit. Dieses Prinzip der Dekonstruktion ist übrigens auch ein Element des vom Schweizer Unternehmensberater Alexander Osterwalder entwickelten Tools mit dem Namen "Business Model Canvas". Mit seiner Hilfe kann man Geschäftsmodelle (um die es ja u.a. in der Kultur- und Kreativwirtschaft geht) auf spielerische Weise verändern. Indem man beispielsweise mit scheinbar wiedersinnigen Fragen an ihren Grundpfeilern rüttelt: Was wäre, wenn ich mein Produkt kostenlos anbieten würde? "Viel zu oft verlieben sich Startup-Unternehmer in ihre erste Geschäftsmodell-Idee. Das ist ein Riesenproblem, weil sie dann nicht das beste Geschäftsmodell angehen, sondern das erste", so Osterwalder im Online-Interview mit der Ragazzi Group.
Kochen ohne Rezept
Für den Weg zum kreativen Geschäftsmodell hat das u-institut eine griffige Losung geprägt: Kochen ohne Rezept. Christoph Backes: "Wir planen unser Handeln doch klassischerweise so: Das ist das Ziel. Also benötige ich diese und jene Mittel, um das Ziel zu erreichen. Diese Mittel beschaffe ich. Und los geht's. Kreative arbeiten anders. Sie gehen von den zur Verfügung stehenden Mitteln aus und fragen sich: Was lässt sich daraus stricken? Eine Art professionelles Durchwurschteln. Wer ein Essen nach dieser Maxime zubereitet, schaut nach, was er im Kühlschrank hat und macht das Beste daraus."
Ruhe und Motivation
Wobei das Beste, so Prof. Holm-Hadulla, nur im Ruhemodus des Gehirns zustande komme. "Das ist - glaube ich - die allerwichtigste Kreativitätstechnik überhaupt: diesen Ruhemodus des Gehirns zuzulassen. Der eine macht es beim Schwimmen, der andere beim Spazierengehen, der dritte beim Abwasch oder unter der Dusche. Jeder kann das ausprobieren."
Mit dem Ruhemodus allein sei es dabei nicht getan. Besondere kreative Leistungen, so Prof. Holm-Hadulla, entstehen nie ohne eine besondere Motivation. "Also das Interesse an der Sache. Die man so gut machen möchte, wie es geht. Nicht des Geldes oder Ruhmes wegen. Ich glaube nicht, dass Mozart, Picasso oder Goethe etwas machen wollten, um berühmt zu werden oder Geld zu verdienen. Was sie gemacht haben, das mussten sie machen."
Anspannung und Entspannung
Der Weg zum guten Werk sei dabei in aller Regel beschwerlich. Denn: "Zum Kreativen gehört auch, viele Einfälle wegzulassen und dann einen Einfall, eine Idee, herauszugreifen und auszuarbeiten. Auch diese Ausarbeitung ist immer ein Zustand des Noch-Nicht. Das erzeugt Anspannung. Die muss man ertragen können".
Auch dafür, diese Anspannung erträglich zu machen, müsse man schließlich für die richtigen Umgebungsbedingungen für's Kreativsein sorgen. Dazu gehören, so Prof. Holm-Hadulla, vor allem Rituale wie beispielsweise Tag- oder Nachtarbeit, eine bestimmte Zahl von Arbeitsstunden oder ein besonders geordneter Schreibtisch. "Diese Rituale schützen den kreativen Prozess. Denken Sie an Gabriel García Márquez, den kolumbianischen Schriftsteller, der so wunderbar aus dem vollen Leben schöpft. Ich war ganz erschrocken, aber auch nachdenklich, als ich erfahren habe, wie ritualisiert der schreibt. Mit ganz pünktlichem Beginn, die Rose muss rechts stehen, erst dann öffnet er seinen Computer."
Unter dem Strich führe diese letzte Einsicht zur eigentlich besten Antwort, die man auf die Frage nach Creative Skills für kreative Arbeiter geben könne: "Finden Sie die richtige Zeit, den richtigen Ort und die richtigen Freiräume. Laufen Sie vor den kreativen Spannungen nicht weg. Seien Sie auch hier kreativ und finden Sie heraus, was Ihrer Kreativität gut tut. Und was nicht."
Übrigens: Wer dafür noch auf der Suche ist, dem sei Dämmerlicht wärmstens empfohlen: Dabei sind Menschen eindeutig kreativer als bei Helligkeit, wie eine Studie der Universität Hohenheim herausgefunden hat. Und mutiger.