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17.12.2014 -

Hauptsache, man kennt sich. Partnering-Networking-Kooperation in der Kultur- und Kreativwirtschaft Interview mit Dr. Simone Kimpeler, Leiterin des Competence Center Foresight im Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung ISI

Einleitung

Das Thema Kooperationen ist ein inhaltlicher Schwerpunkt im jüngst veröffentlichten "Monitoring zu ausgewählten wirtschaftlichen Eckdaten der Kultur- und Kreativwirtschaft 2013". Der diesjährige Bericht wurde vom Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) zusammen mit dem Fraunhofer ISI im Auftrag der Initiative Kultur- und Kreativwirtschaft der Bundesregierung erarbeitet.

Frau Kimpeler, nach Ihren Erkenntnissen gehen 84 Prozent aller Kultur- und Kreativunternehmen Kooperationen ein. Ist das in allen Teilbranchen so?

Kimpeler: Nein, da gibt es schon Unterschiede. Am kooperationsfreudigsten sind die Unternehmen im Buchmarkt, und auch in der Musikwirtschaft und im Kunstmarkt fällt der Anteil derer, die mit anderen kooperieren, höher aus als in den übrigen Teilmärkten. Eher gering ist er dagegen vor allem im Pressemarkt, in der Rundfunkwirtschaft und im Architekturmarkt.

Wer sind die bevorzugten Kooperationspartner?

Kimpeler: Unternehmen der Kultur- und Kreativwirtschaft arbeiten am häufigsten mit Unternehmen aus der eigenen Branche zusammen. Das ist übrigens im Werbemarkt besonders verbreitet. Es gibt aber auch Kooperationen mit Kultur- und Kreativschaffenden anderer Teilmärkte oder mit Unternehmen anderer Branchen. Damit dienen Unternehmenskooperationen der branchenübergreifenden Vernetzung.

Viele Unternehmen nutzen ja auch informelle Netzwerke.

Kimpeler: Genau. Gerade in der Kultur- und Kreativwirtschaft spielen Geschäftskontakte und Netzwerke eine herausragende Rolle. Netzwerke schaffen Vertrauen. Das ist vor allem für Start-ups oder für die Entwicklung neuer Produkt- und Dienstleistungsideen wichtig. Darum ist es nicht verwunderlich: Je kleiner ein Unternehmen ist, desto größer ist seine Kooperationsneigung und damit der Bedarf an Partnerkontakten, z.B. über themenspezifische Stammtische oder regionale Netzwerke. Dann sind da noch die branchenspezifischen Verbände: Sie werden von jedem dritten Unternehmen als Kooperationspartner angesehen. Und immerhin fast ein Viertel  der Unternehmen arbeitet mit öffentlichen Einrichtungen zusammen, beispielsweise mit Bibliotheken, Museen, Theatern. Am wenigsten verbreitet ist die Zusammenarbeit mit Universitäten oder Hochschulen. Insgesamt arbeiten die Akteure der Kreativbranchen vor allem mit regionalen Partnern zusammen. Solche Netzwerke für sich aufzubauen und zu nutzen, ist das, was wir neudeutsch als Networking bezeichnen. Dafür nutzen Kreativ-Unternehmen nicht mehr nur persönliche Kontakte und Veranstaltungen, sondern gerne auch Online-Plattformen.

Welche Kooperationsformen wählen die Akteure denn dann?

Kimpeler: Kooperationen in der Kultur- und Kreativwirtschaft sind in der Regel kurzfristig angelegt. Und sie sind anlassbezogen. Dauerhafte Kooperationen sind eher seltener. Die Software- und Games-Industrie ist der einzige Teilmarkt, in dem die meisten Kooperationen dauerhaft oder langfristig angelegt sind. Und was die Art der Zusammenarbeit, egal ob kurz oder lang, angeht: Viel läuft heute über die digitalen Kanäle, also über das Internet.

Was ist für Kreativunternehmen an Kooperationen so verlockend?

Kimpeler: Der Bedarf ergibt sich gerade bei Unternehmen derselben Branche häufig aus einem gemeinsamen Produkt- oder Dienstleistungsangebot. Das kann man z.B. in den Teilmärkten für Presse und Buch ablesen, beispielsweise an der Kooperation mit Druckereien, die die Print-Produkte ja letztendlich herstellen. Bei branchenübergreifender Zusammenarbeit werden Unternehmen der Kultur- und Kreativwirtschaft häufig eingebunden, um die Eigenschaften eines Industrieprodukts zu verbessern und Produkte wettbewerbsfähiger zu machen. Bestes Beispiel: das Design. Der Mehrwert besteht für Unternehmen darin, eingefahrene Methoden und Vorgehensweisen neu zu denken. Oder nehmen Sie den Archtiketurmarkt: Der ist natürlich eng verbunden mit der Baubranche.

Und zahlt sich die Zusammenarbeit aus?

Kimpeler: Allerdings. Es gibt eine ganze Reihe nachgewiesener Effekte. Die Partner haben ihren Bekanntheitsgrad verbessert, neue Zielgruppen erschlossen, sie haben neue Produkte oder Dienstleistungen entwickelt oder auch dazu beigetragen, dass sich das Leistungsangebot des Kooperationspartners verbessert hat. Um aber konkret bei Ihrer Frage zu bleiben: Eine Einsparung von Kosten oder eine bessere finanzielle Unterstützung haben wir eher selten feststellen können. Und der Vollständigkeit halber sollte man auch sagen, dass Kooperationen für Unternehmen auch Herausforderungen darstellen können. Etwa die Hälfte der Unternehmen gibt an, dass Kooperationen mit anderen sehr zeitaufwendig sind und nicht immer ein direkter Nutzen erkennbar ist. Zum Beispiel wenn Ideen weitergegeben werden, ohne dass eine Gegenleistung erfolgt. Da die meisten Unternehmen aber dennoch Kooperationspartner suchen, scheinen die Vorteile zu überwiegen.

Welche Rolle spielen "neue" Formen der Vernetzung und der Kooperation? Was versteht man z.B. unter "Partnering"?

Kimpeler: Naja, das englische "business partnering" ist gleichbedeutend mit dem deutschen Begriff "Unternehmenskooperation". Also, das ist zunächst mal nichts Neues. Neu ist aber, wenn es beim sogenannten Partnering in erster Linie darum geht, Kooperationen zu stiften, also branchenübergreifend Kooperationspartner zu finden und zusammenzubringen. Dafür eignen sich Personen oder Institutionen, die selbst gut vernetzt sind. Sie bringen Gründerinnen und Gründer, Unternehmen, Geldgeber oder Forschungseinrichtungen an einen Tisch und organisieren und moderieren Veranstaltungsformate genau zu diesem Zweck. Beispielsweise Kreativ-Workshops zu bestimmten Themenstellungen, nicht selten im Auftrag einer kommunalen Wirtschaftsförderung oder auch eines privaten Auftraggebers. In diesem Sinne ist Partnering eine neue Form des Netzwerkens bzw. eine Dienstleistung, bei der es darum geht, Kontakte zu vermitteln und den Transfer von Know-how anzuschieben.

Wie verbreitet ist "Partnering" hierzulande?

Kimpeler: Noch nicht so sehr verbreitet wie beispielsweise in Großbritannien, wo Partnering-Aktivitäten überregional von Technologiebranchen-Netzwerken angeboten werden. Das britische Knowledge Transfer Network bietet auch speziell für die Creative Industries Community eine Plattform, auf der sich "innovators" treffen, austauschen und vernetzen können. Hierzu gehört unter anderem die "Partnering for Innovation Platform", in der Kreativwirtschaft und IT aufeinander treffen. Auch in Österreich gibt es unterschiedliche Servicedienstleister als Berater für Partnering in der Kultur- und Kreativwirtschaft. Aber auch in Deutschland gibt es Beispiele. Auf der Jahreskonferenz 2014 der Initiative Kultur- und Kreativwirtschaft wurden verschiedene Formate regionaler Wirtschafts- und Kulturförderer für solch gezielte Partnering- oder Matchmaking-Aktivitäten vorgestellt, unter anderem die Brennerei in Bremen, CREATIVE.HEALTH aus Nordrhein-Westfalen, Bestform in Sachsen-Anhalt und einige mehr.

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