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20.01.2016 -

Denn sie wissen nicht, was nicht geht. Kreative als Innovationstreiber

Einleitung

Wie innovativ sind die Unternehmen der Kultur- und Kreativwirtschaft in Deutschland? Welche Art von Innovationen schaffen sie? Diese und andere Fragen beantwortet der Schwerpunkt "Innovationen und soziale Innovationen in der Kultur- und Kreativwirtschaft" des Monitorings zu ausgewählten wirtschaftlichen Eckdaten der Kultur- und Kreativwirtschaft 2014.

Zusammengefasst kann man sagen: Dreh- und Angelpunkt der Kultur- und Kreativwirtschaft sind Innovationen. Dabei sind diese Innovationen nicht nur das, was die Branche im Innersten zusammenhält, also die schöpferische und gestaltende Arbeit der Menschen. Es geht auch um die Innovationen, die die Branche auslöst: wenn also diese Menschen in ganz anderen Branchen auf der Suche nach neuen Ideen aktiv werden. Ein Effekt, der gar nicht hoch genug eingeschätzt werden kann, wenn man weiß, dass Unternehmen aller Branchen immer wieder neue Produkte, Dienstleistungen und Prozesse benötigen, um im Wettbewerb bestehen zu können.

Es gibt vielfältige Formen von Innovationen

Vorweg: Ja, die Unternehmen der Kultur- und Kreativwirtschaft zeichnen sich in der Tat durch eine hohe Innovationstätigkeit aus. Daran lässt der Bericht keinen Zweifel. So haben insgesamt 85 Prozent der Kultur- und Kreativunternehmen in den vergangenen drei Jahren Innovationen realisieren können. 

Was genau ist nun eine Innovation? Welche Formen gibt es? Um der Vielfältigkeit an möglichen Innovationsvorhaben Rechnung zu tragen, haben die Monitoring-Macher insgesamt 15 Kategorien zur Innovationstätigkeit abgefragt. Unter dem Strich ergibt sich dieses Bild: Mehr als die Hälfte der Kultur- und Kreativunternehmen hat in den vergangenen drei Jahren neue oder merklich verbesserte Produkte einführt, fast die Hälfte neue oder merklich verbesserte Dienstleistungen. Neue Wege gehen viele Unternehmen auch dabei, ihre Produkte oder Dienstleistungen an den Mann zu bringen. Über ein Drittel verwendet jetzt schon neue Werbetechniken, z.B. den Einsatz von Social Media. Fast die Hälfte plant neue Methoden zur Kundenbindung, z.B. Angebote durch Kunden bewerten oder empfehlen zu lassen. So weit, so gut - und auch nicht weiter erstaunlich. 

Interessanter ist, dass viele Kreativunternehmer soziale Innovationen aufweisen, so Dr. Simone Kimpeler vom Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung ISI. Sie ist Mitautorin des Monitoringberichts. "Dazu zählen neue Formen der Arbeitsorganisation, der Interaktion oder Kommunikation mit Kunden, neue Formen der Außenbeziehungen zu anderen Unternehmen oder neue Geschäftsmodelle und Methoden zur Organisation von Geschäftsprozessen."

Informationsquellen für Innovationen sind insbesondere die eigenen Mitarbeiter

Wer oder was gibt nun den entscheidenden Anstoß für welche Innovation auch immer? Innovations-Marktplätze, Beratungsunternehmen und Kapitalgeber spielen hier keine herausragenden Rollen, so der Bericht. Die wichtigste Erkenntnis ist: Es funkt dann, wenn persönliche Kontakte im Geschäftsablauf eng sind. So sind in den allermeisten Fällen die eigenen Mitarbeiter, die Kunden bzw. Auftraggeber Inspirationsquellen für Innovationen. Für über zwei Drittel der Kultur- und Kreativunternehmen sind dies zudem Freunde oder Bekannte.

Kreative sind Innovationstreiber für Kultur- und Kreativunternehmen und andere Branchen

Dabei kreisen die Innovativen nicht nur um sich selbst. Fast die Hälfte der Selbständigen und Unternehmen der Kultur- und Kreativwirtschaft konnte Kunden-Unternehmen bei der Einführung von Innovationen unterstützen, und zwar innerhalb der Kultur- und Kreativwirtschaft, aber auch in anderen Branchen. Dabei ging es in erster Linie um die Einführung neuer Produkte oder Dienste sowie die Einführung neuer Verfahren. Interessant ist hierbei, dass Innovationsimpulse vor allem von Unternehmen in solchen Teilmärkten ausgehen, die ebenfalls eine hohe Nutzungsrate von neuartigen Produkten, Verfahren und Technologien aufweisen: ein kreatives Geben und Nehmen auf hohem Niveau sozusagen.

Kultur- und Kreativunternehmen liefern vor allem die Ideen für Innovationen

Ob für Unternehmen der Kultur- und Kreativwirtschaft oder "fremde" Branchen: Hilfreich können die Kreativen in vielerlei Hinsicht sein, von der Ideenfindung über die Gestaltung und das Design neuer Produkte bis zu deren Markteinführung oder der Implementierung neuer Verfahren. Fast zwei Drittel aller Unternehmen, die Unternehmenskunden bei der Einführung von Innovationen unterstützen, sind dabei in der Phase der Ideenfindung aktiv. Kein Wunder, findet Jörg Ohnemus vom Zentrum für europäische Wirtschaftsforschung und ebenfalls Mitautor des Monitoringberichts: "Das finde ich sehr plausibel, wenn man sich anschaut, wie die Branche funktioniert. Nehmen Sie die große Zahl der Soloselbständigen: Sie alle gehen mit wenig mehr als einer eigenen kreativen Idee an den Start. Und mit dieser Idee müssen sie nebeneinander und vielleicht auch gegeneinander bestehen. Das unterscheidende Merkmal ist ja die andere Idee. Das ist der konzeptionelle Kern ihrer Arbeit, darum kreist ihr Selbstverständnis als Künstler oder Schauspieler oder Musiker."

Zum Beispiel...

Verbesserte Produkteigenschaften. Zu den Innovations-Ergebnissen dieser Ideenfindung gerade in Unternehmen außerhalb der Kultur und Kreativwirtschaft gibt es vielerlei Erfahrungen. "So werden bei branchenübergreifender Zusammenarbeit Unternehmen der Kultur- und Kreativwirtschaft häufig eingebunden, um die Eigenschaften eines Industrieprodukts zu verbessern und Produkte wettbewerbsfähiger zu machen", sagt Simone Kimpeler. "Bestes Beispiel: das Design." 

Neue Geschäftsfelder. Was zudem passieren kann wenn Kunst auf Wirtschaft trifft, zeigt u.a. die Zusammenarbeit eines Bielefelder Unternehmens mit dem klein-künstlerischen "Atelier für Sonderaufgaben". Das Unternehmen, das bisher ausschließlich Mittel zur Insektenbekämpfung herstellt hatte, stellte anschließend seine Unternehmensphilosophie auf den Kopf: Fliegen retten statt Fliegen töten. Für das Unternehmen ergab sich so ein neues Geschäftsfeld. Auslöser: die Kraft der Kunst. 

Veränderte Arbeitsprozesse. Hilfreich sind Kreative dabei nicht allein bei der Konzeption handfester Arbeitsprodukte oder Dienstleitungen, sondern auch bei der Veränderung von Arbeitsprozessen in Unternehmen. Als Projektleiterin von "Unternehmen! KulturWirtschaft" am Nordkolleg Rendsburg hat Lena Mäusezahl über mehrere Jahre "getrennte Welten", also Kreative und Unternehmen, einander angenähert, nicht zuletzt zum Wohle der beteiligten Unternehmen. "Das Ergebnis waren sehr oft organisatorische Innovationen, beispielsweise neuartige Formen der Arbeits- und Ablauforganisation." So hat sich ein Verband aus dem Bildungssektor, angeleitet von Künstlern, bei der Umsetzung seines Change Managements unterstützen lassen. Ziel war u.a., die Mitarbeiter bei den anstehenden Veränderungen im Unternehmen nicht vor den Kopf zu stoßen, sondern "mitzunehmen". Möglich wurde das u.a., indem die Künstlerin mit allen Mitarbeitern Kreativitätstechniken zu bestimmten Fragestellungen nutzten, als Alternative zu verordneten Neuerungen im Rahmen klassischer und starrer Meetings. Lena Mäusezahl: "Ein anderes Unternehmen aus dem Metall verarbeitenden Gewerbe hat sich Kreative ins Haus geholt, die die Mitarbeiter im angstfreien Raum der künstlerischen Intervention dazu anleiten sollten, in abteilungsübergreifenden Teams zusammenzuarbeiten, und zwar zu bestimmten Aufgabenstellungen. Alles kein Hexenwerk, wie man sieht. Aber derartige Veränderungen, bei denen die Geschäftsleitung alle Mitarbeiter mitnehmen sollte, in Gang zu setzen, fällt eingefahrenen Insidern meist schwerer als kreativen Außenstehenden."

Welche Kreativen kommen als Innovationstreiber in Frage?

Die Antwort von Lena Mäusezahl auf diese Frage ist eigentlich eindeutig: "Im Prinzip alle. Denn die Teilbranche oder die Kunstsparte spielen keine Rolle. Entscheidend sind die Persönlichkeit und die Motivation der Kreativen. Danach haben wir sie für unsere Projekte ausgewählt. Es mussten aus unserer Sicht Personen sein, die kommunikative Kompetenzen hatten und Lust, mit Menschen zu arbeiten." 

Dazu allerdings, schränkt Lena Mäusezahl ein, sei längst nicht jeder bereit. "Denn gerade wenn wir von Künstlern im eigentlichen Sinne sprechen, da gibt es auch einige darunter, die sagen: Nee, dazu habe ich überhaupt keine Lust. Ich bleibe lieber hier in meinem Atelier oder in meinem Konzertsaal. Mit den Laien möchte ich mich nicht abgeben. Kommt auch schon mal vor. Nicht zuletzt dann, wenn die jeweiligen Kreativsparten mit den betreffenden Unternehmen so gar nichts anfangen können." 

Obwohl: Eigentlich gar kein Problem, so Lena Mäusezahl, wenn im Rahmen einer solchen Zusammenarbeit einerseits Kreative auf komplette Kultur- und Kunstbanausen träfen, die Unternehmen andererseits auf Kulturschaffende, die nicht gerade Experten für die jeweilige Branche seien, in der das Unternehmen unterwegs ist. "Das ist aus meiner Sicht sogar von Vorteil. Denn was man als Kreativer dabei mitbringt, ist ein Portfolio an Fragen, die man sich selber als Unternehmen gar nicht mehr stellt. Und die Kreativen, mit denen wir gearbeitet haben, haben ziemlich viel in Frage gestellt. Wenn man es beispielsweise schafft, jemanden, der Experte für Kaffeemaschinen ist und eine neue Kaffemaschine auf dem Markt bringen will, und einen Kreativen zusammenzubringen, dann muss der Kreative gar nicht so viel Ahnung von der Funktionalität einer Kaffeemaschine haben. Weil er einfach mit anderen Fragen und mit anderen Kompetenzen da reingeht. Beispielsweise mit einem Gespür für Trends. Das ist etwas, was die meisten Kreativen ja mitbringen." 

Für die unternehmerische Entscheidung, den unverstellten Blick von außen nutzen, sei dabei eine Erkenntnis entscheidend, so Lena Mäusezahl: "Zu viel Wissen schränkt ein. Es beschränkt die Freiheit zu denken. Unter anderem, weil man weiß, was technisch alles nicht gehen würde."

Welche Unternehmen kommen dafür in Frage, Kreative zu nutzen?

Auch hier ist die Antwort: eigentlich jedes. Allerdings zeigt die Erfahrung, dass sich die Unternehmen darüber im Klaren sein müssen, dass sie ein Problem haben, so Lena Mäusezahl: "also dass sie tatsächlich irgendwo der Schuh drückt. Nur dann sind die Unternehmen bereit, für eine solche Zusammenarbeit Zeit und Geld zu investieren. Und es braucht Mut. Und zwar dafür, sich auf einen ergebnisoffenen Prozess einzulassen." Unternehmen, die diesen Mut nicht hätten, sollten sich eher für eine klassische betriebswirtschaftliche Unternehmensberatung entscheiden "Der Weg ist sicherlich bequemer. Aber eben womöglich auch weniger effektiv. Wer mehr will, muss daher nicht nur Mut haben. Man muss auch neugierig sein und bereit für Überraschungen."

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