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04.07.2022 -

„Man muss lernen, während eines Filmprojekts hin und wieder einmal durchzuatmen.“ Interview mit Philipp Majer, Bunkhouse Film

Einleitung

Philipp Majer

© Joni Majer

Philipp Majer ist leidenschaftlicher Dokumentarfilmer. Seine Filme laufen sowohl auf internationalen Festivals als auch im öffentlich-rechtlichen Fernsehen. Darüber hinaus produziert der Gründer von Bunkhouse Film zusammen mit seinem Team Image- und Werbefilme. Wie er es geschafft hat, sich als freiberuflicher Filmproduzent zu etablieren, darüber erzählt Philipp Majer im folgenden Interview.

Herr Majer, Sie sind schon eine ganze Weile mit Ihrer Filmproduktion Bunkhouse unterwegs. Wann fiel der Startschuss dafür?

Majer: Einen Startschuss in dem Sinne gab es eigentlich nicht. Jedenfalls habe ich nicht gesagt: So, jetzt gründe ich eine Filmproduktion. Das Ganze hat sich eher nach und nach entwickelt. Ursprünglich hatte ich eine Ausbildung zum Mediengestalter Bild und Ton absolviert. Danach habe ich noch ein Jahr in einem Betrieb gearbeitet und bin dann beim Saarländischen Rundfunk als Cutter gelandet. Das war eine 25-Prozent-Stelle. Die hatte den Vorteil, dass meine Kosten gedeckt waren und ich nebenher kleinere Aufträge für die Industrie oder auch eigene freie dokumentarische Projekte realisieren konnte.

Offensichtlich lief es gut, denn irgendwann haben Sie Ihren Job beim Saarländischen Rundfunk an den Nagel gehängt.

Majer: Ja, das war 2010. Ich hatte den Eindruck, dass ich nicht mehr auf einen Nebenjob angewiesen bin. Also habe ich mich mit meiner eigenen Filmproduktion hier in Saarbrücken voll und ganz selbständig gemacht. Damit war Bunkhouse gegründet. Die Internet-Domain gab es bereits, weil ich als Teenager mal ein kleines Musiklabel mit dem Namen hatte. Der Einfachheit halber habe ich Bunkhouse Film draus gemacht. Als freiberuflicher Selbständiger habe ich dann erstmal Schnitttätigkeiten, Industriefilme usw. übernommen, und so kam eins zum anderen.

Das heißt, Sie hatten auch schon Auftraggeber? Wie kam denn der Kontakt zustande? Kamen die auf Sie zu und haben einfach gefragt? Von wegen „Kannst du mal …?“

Majer: Ja, genauso war das. Das Saarland ist ja relativ klein und die Kreativschaffenden sind gut vernetzt. Dazu leistet ja auch die Kreativplattfom Dock11 einen wichtigen Beitrag. Mein damaliger Kollege und Freund Marc André Misman hatte in der Branche schon etwas Fuß gefasst und mich für einige Jobs dazu geholt. Mit der Zeit kamen dann immer mehr Aufträge dazu.

Ihr Schwerpunkt ist die Produktion von Dokumentarfilmen. Wie kam es dazu?

Majer: Das hat sich eher zufällig entwickelt. Ich hatte weder eine Filmhochschule besucht, noch hatte ich das Ziel, Dokumentarfilmer zu werden. Allerdings war ich schon immer an Menschen und ihren Geschichten interessiert. Ich habe irgendwann einfach angefangen, kleinere Filme über Menschen in meinem Umfeld zu drehen, zum Beispiel über eine Amateur-Fußballliga, über einen befreundeten Schlagzeuger oder auch über meine Heimatstadt Pirmasens in Rheinland-Pfalz.

Und wo wurden die Filme gezeigt?

Majer: Nirgends bzw. im Internet. Ich hatte ja auch erst einmal nicht den Anspruch, Dokumentarfilme für Film und Fernsehen zu produzieren. Ich habe einfach das gemacht, worauf ich Lust hatte. Der erste Film, der dann eine Filmförderung erhielt, war Smajl - eine Geschichte über einen kosovarischen Gastarbeiter, der mit seiner Familie in Saarlouis lebt. Den Film habe ich zusammen mit Zymryte Hoxhaj realisiert. Smajl lief auf internationalen Festivals und wurde darüber hinaus im Saarländischen Rundfunk gezeigt. Das sorgte für etwas Publicity. Damit verdient man zwar nicht viel Geld, aber es hilft bei der Durchführung von Folgeprojekten, weil man einfach schon ein gewisses Standing hat.

Haben Sie denn auch den einen oder anderen Film beim Deutschen Wirtschaftsfilmpreis eingereicht?

Majer: Ich kenne den Preis, habe bisher dort aber selber keine Projekte eingereicht.

Sie arbeiten für das öffentlich-rechtliche Fernsehen. Wie gehen Sie vor, um dort einen Film unterzubringen?

Majer: Im Prinzip funktioniert es so, dass ich zunächst eine Idee entwickle – mittlerweile auch mit meinem Kollegen Lukas Ratius zusammen. Danach recherchieren wir und schreiben ein Exposée. Bevor man auf die Sender zugeht, muss man also erst einmal einiges an Vorleistung erbringen. Glücklicherweise kommen inzwischen aber auch hin und wieder die Sender selbst mit bestimmten Projektideen auf uns zu. Das macht es dann etwas einfacher.

Können Sie denn von den Honoraren auch Ihren Lebensunterhalt bestreiten?

Majer: Ja, das klappt eigentlich ganz gut. Was Honorare oder Budgets angehen, sind meine Erfahrungen relativ gut, auch wenn es immer ein Besser und Mehr gibt. Im Grunde kann ich von den Einnahmen seit 2010 leben, seit ich Bunkhouse gegründet habe. Wobei ich damals noch überwiegend Filme für Auftraggeber aus der Industrie gedreht habe. Eine wichtige Rolle spielt natürlich auch, dass Lukas und ich bei den Dokumentarfilmen meistens nur zu zweit arbeiten – sowohl bei den Drehs als auch beim Schnitt. Da kommt man mit den Budgets ganz gut hin.

Aber klar: Selbstverständlich ist es nicht, dass man von Anfang an von seinen Einnahmen leben kann. Insofern weiß ich das sehr zu schätzen und bin sehr froh, eigene Themen dokumentarisch bearbeiten zu können. Mittlerweile ist es tatsächlich mein Traumberuf. Er vereint vieles, was ich mag: Kontakt mit Menschen, die Arbeit mit der Kamera und das Reisen.

Woran arbeiten Sie aktuell?

Majer: Wir haben gerade für die ARD einen 90-Minuten-Film abgeschlossen, der sich um das Thema 18-Jährige in Deutschland dreht. Dazu haben wir fünf 18-Jährige über einen Zeitraum von einem Jahr begleitet. Das war relativ kompakt. Die Gesamtproduktion dauerte etwa anderthalb Jahre und ging damit verhältnismäßig schnell über die Bühne. Momentan arbeiten Lukas und ich an einem Film über Kunst im öffentlichen Raum, dessen Fertigstellung für Anfang 2023 geplant ist.

Jeder Selbständige hat auch mit Herausforderungen zu tun. Welche würden Sie hervorheben?

Majer: Eine Herausforderung, die viele in der Branche kennen, ist das Gefühl der Unsicherheit: Wenn gerade kein neuer Auftrag in Sicht ist und das Geld langsam immer weniger wird. An dieses Gefühl muss man sich gewöhnen. Damit muss man umgehen können.

Darüber hinaus ist die Produktion eines Dokumentarfilms immer mit einem enormen Energieaufwand verbunden. Man fängt bei jedem Film bei null an, muss recherchieren, ein Exposée schreiben. Dann geht man Klinken putzen und hofft, dass das Thema durchkommt. Ist der Auftrag unter Dach und Fach, fängt man an zu organisieren, dann zu drehen und schließlich den Film zu schneiden und fertigzustellen. Das ist alles in allem ein Riesenaufwand. Irgendwann ist der Film dann fertig und wird gezeigt. Das ist gut und wahnsinnig schön, aber trotzdem entsteht so eine innerliche Leere. Das ist auch kein Wunder, schließlich hat man ein bis zwei Jahre nichts anderes gemacht als an diesem einen Film gearbeitet. Und auf einmal ist alles vorbei. Man fällt regelrecht in ein Loch und hat keinerlei Energie mehr. Da hilft nur, alles ein bisschen lockerer zu sehen und bereits während des Filmprojekts, hin und wieder einmal durchzuatmen. Das ist nicht einfach, aber ich versuche es zumindest.

Und wie war es während der Pandemie? Locker zu bleiben, war da sicher nicht einfach.

Majer: Es ging. Zunächst einmal habe ich, wie andere auch, während der Coronapandemie einen Umsatzeinbruch erlebt: einige Industriejobs sind weggebrochen. Aber dadurch, dass ich während der Zeit einen Dokumentarfilm produzieren konnte und auch ein coronabedingtes Künstlerstipendium vom Ministerium für Bildung und Kultur des Saarlandes erhalten habe, bin ich ganz gut durch die Krise gekommen.

Was würden Sie anderen angehenden Dokumentarfilmern empfehlen?

Majer: Meiner Erfahrung nach ist es sinnvoll, seinen eigenen Stil zu entwickeln. Voraussetzung dafür ist, dass man kontinuierlich und möglichst viel produziert. Nur dann bekommt man ein Gespür dafür, was einem liegt und kann eine eigene Handschrift entwickeln. Abgesehen davon braucht man natürlich auch Glück. Man muss zur richtigen Zeit am richtigen Ort sein, um den Fuß in die Tür zu bekommen. Unter dem Strich spielen einfach viele Faktoren eine Rolle.

Stand: Juni 2022

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