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07.07.2023 -

„Unser Ziel war, auf der internationalen Bühne sichtbar zu werden, auf den Radar von allen möglichen Leuten aus der Musikindustrie zu kommen und neue Acts zu entdecken.“ Interview mit Christian Ronge und Sascha Scherer, Bandmitglieder von Rikas.

Einleitung

v.l.n.r.: Ferdinand Hübner, Christian Ronge, Samuel Baisch und Sascha Scherer

v.l.n.r.: Ferdinand Hübner, Christian Ronge, Samuel Baisch und Sascha Scherer

© Samuel Müller

South by Southwest (SXSW) im texanischen Austin gehört zu den größten internationalen Events für Musik, Film und interaktive Medien. Für Musikerinnen und Musiker aus Deutschland ist es eine riesige Chance, sich dort der internationalen Musikszene zu präsentieren. Unterstützt werden sie dabei von der Initiative Musik. Gemeinsam mit einigen Partnerorganisationen hat sie im März 2023 insgesamt 23 Musikerinnen und Musiker aus Deutschland eingeladen, in Downtown Austin im GERMAN HAUS – und nicht nur dort – aufzutreten. Mit dabei: „Rikas“ aus dem deutschen Südwesten. Die Indie-Pop Band wurde von Christian Ronge, Sascha Scherer, Ferdinand Hübner und Samuel Baisch 2016 gegründet. Seitdem haben die vier Musiker einen ziemlich guten Lauf. Warum das so ist und was sie in Austin erlebt haben, darüber berichten Christian Ronge und Sascha Scherer im folgenden Interview.

Herr Ronge, Herr Scherer, Ihre Musik wurde über 30 Millionen Mal gestreamt, Sie haben gerade Ihr zweites Studioalbum produziert, Sie waren bei Sony Music unter Vertrag und haben kürzlich in Austin beim SXSW--South by Southwest teilgenommen. Sie können nicht klagen, oder?

Ronge: Ja, wir sind tatsächlich sehr froh darüber, wie es bei uns bisher gelaufen ist. Wir haben ursprünglich als Schülerband angefangen und hatten damals das große Ziel, irgendwann von unserer Musik leben zu können. Das hat tatsächlich geklappt.

Das wünschen sich viele andere Bands auch. Was glauben Sie, hat zu Ihrem unternehmerischen Erfolg beigetragen?

Ronge: Zunächst einmal ist ein musikalischer oder künstlerischer Werdegang sicherlich nicht so linear planbar wir ein anderer Ausbildungsweg. Aber man kann sich den Erfolg Schritt für Schritt erarbeiten. Wir haben zum Beispiel früh damit angefangen, überall, wo es nur möglich war, Live-Konzerte zu geben. Vor allem auf Festivals gibt es viele Menschen, die offen für neue Musikbands sind. Davon profitiert man als Nachwuchsband sehr, vor allem, wenn man als Vorgruppe von einer bekannten Band spielt. Letztlich haben wir uns Schritt für Schritt eine Fanbase erspielt, die uns durch ihre CD- und Merchandise-Käufe und – ganz wichtig – ihre Konzertbesuche finanziell am Laufen hält. Hinzu kommen die Klicks bei den Streaminganbietern und auf YouTube. Bei Spotify haben wir zum Beispiel ein Stück weit von den redaktionell zusammengestellten Playlists profitiert, die für viele Hörerinnen und Hörer einfach interessant sind.

Dabei werden doch gerade Plattformen wie Spotify von vielen Musikerinnen und Musikern eher kritisch gesehen.

Scherer: Wir würden uns der Kritik am Geschäftsmodell der Plattformen auf jeden Fall anschließen. Aber gleichzeitig muss man sehen, dass die Streamingdienste eben auch dazu beitragen, den Bekanntheitsgrad der Musikerinnen und Musiker massiv zu steigern. Letztlich ist das alles miteinander verknüpft. Wenn zum Beispiel ein größeres Festival ansteht, bieten die Streamingdienste schon vorkuratierte Playlists an. Viele Hörerinnen und Hörer streamen die Musik dann vorab erst einmal, um einen Eindruck zu gewinnen. Der ersetzt aber natürlich nicht die besondere Nähe und Bindung, die bei einem Live-Konzert zwischen den Fans, den Künstlerinnen und Künstlern entsteht. Nach dem Auftritt teilen dann viele Fans die Bilder und Videos, die sie beim Konzert gemacht haben, auf den diversen Plattformen, so dass die Acts weiterhin erlebbar bleiben.

Wenn Live-Auftritte so eine wichtige Rolle für Sie spielen, bleibt die Frage, wie Sie die Lockdowns überstanden haben?

Ronge: Wir hatten das Glück, dass wir uns schon ein relativ gutes Standing erspielt hatten als es mit der Pandemie losging. Unsere Fanbase ist ziemlich groß und wir haben außerdem Partner, die uns dabei geholfen haben, halbwegs glimpflich durch die Pandemie zu kommen. Dadurch konnten wir zwischen den Lockdowns relativ kurzfristig immer wieder Konzerte geben – mit Abstand, Maske, Desinfektion und so weiter. Darüber hinaus konnten wir einige der Hilfsprogramme des Bundes beantragen. Das war alles nicht das Gelbe vom Ei, aber es hat uns trotzdem geholfen, über Wasser zu bleiben.

Das war also schon ein ziemlicher Einschnitt.

Ronge: Auf jeden Fall, vor allem, weil es in den Jahren zuvor eigentlich immer kontinuierlich für uns aufwärts gegangen war. Die Festivals, auf denen wir gespielt haben, wurden immer größer und damit nahm auch die Reichweite zu. Durch Corona stoppte das Ganze dann auf einmal. Das war natürlich ein ziemlicher Dämpfer. Eigentlich ist mir erst so richtig nach dem Ende der Pandemie bewusst geworden, dass uns diese Zeit vor allem auch mental ziemlich an „die Nieren gegangen“ ist. Auch wenn uns klar ist, dass wir im Vergleich zu manch anderen Bands die Zeit ganz gut überstanden haben.

Wegen der Pandemie konnten Sie 2021 nicht am SXSW--South by Southwest in Austin teilnehmen. Dafür hat es aber in diesem Jahr geklappt. Sie waren vom 10. bis 14. März im texanischen Austin zu Gast im GERMAN HAUS. Warum hatten Sie sich dafür beworben?

Scherer: Das South by Southwest war für uns schon lange ein Begriff, weil wir wussten, dass auch musikalische Vorbilder von uns dort aufgetreten waren. Für die war das eine Art Karriere-Sprungbrett gewesen. Als Band aus Deutschland ist es ja nicht selbstverständlich, dass man in die USA eingeladen wird, um dort aufzutreten. Das ist auch eine Art von Wertschätzung. Deswegen war es schon lange unser Traum, am SXSW teilzunehmen.

Mit welcher Erwartung sind Sie denn in die USA geflogen?

Ronge: Ich glaube, wir sind da mit einer sehr realistischen Erwartungshaltung herangegangen. Unser Ziel war, auf der internationalen Bühne sichtbar zu werden, auf den Radar von allen möglichen Leuten aus der Musikindustrie zu kommen und neue Acts zu entdecken. Das Tolle am SXSW ist ja, dass man dort nicht nur Leute aus den USA, sondern aus der ganzen Welt trifft. Und tatsächlich haben sich viele spannende Kontakte ergeben.

Ist schon etwas Konkretes daraus entstanden?

Ronge: Ja, wir wurden eingeladen, im Juli ein Konzert in London zu geben. Außerdem sind wir im Gespräch mit einer Bookerin aus den USA über eine mögliche Zusammenarbeit. Und dann steht noch eine Live-Session im Ausland auf dem Plan. Das sind alles Projekte, die sich direkt im Anschluss an unsere Teilnahme beim SXSW ergeben haben. Das ist natürlich alles ganz positiv, aber viel wichtiger ist für uns die Tatsache, dass wir überhaupt in den USA spielen konnten. Das war ein riesiges Erfolgserlebnis. Wenn man als Schüler mit 14 Jahren eine Band gründet und den Traum hat, irgendwann mal in den USA aufzutreten, dann ist das zu dem Zeitpunkt noch so irreal. Aber wenn es dann tatsächlich klappt, ist das ein unglaubliches Erlebnis – sowohl für einen selbst als auch für die Gruppe insgesamt.

Und wie haben Sie sich auf die Reise vorbereitet?

Ronge: Wir hatten vorab Kontakt zu einer Promotorin aufgenommen, die wir auf einer Reise nach New York 2020 kennengelernt hatten. Die hat uns dabei geholfen, mit allen möglichen Vertreterinnen und Vertretern aus der Musikindustrie in Kontakt zu kommen. Dadurch wurden wir zu Show-Case-Veranstaltungen von Labels und anderen Musikunternehmen eingeladen. Wir haben also nicht nur im GERMAN HAUS auf der SXSW gespielt, sondern wurden auch zu Acts in anderen Veranstaltungsstätten in Austin eingeladen, haben Interviews für US-amerikanische Musikblogs gegeben und wirklich viele Leute kennengelernt.

Scherer: Nett war auch, als ein Auslandskorrespondent der ARD auf uns zukam. Wenn man nach Austin fliegt, geht man ja davon aus, dass man sich vor allem den US-amerikanischen Markt erspielt, aber im GERMAN HAUS und dem GERMAN PAVILION sowie den Events von Reeperbahn Festival, GEMA, Zebralution oder auch bei Innovation Bridge Europe waren natürlich jede Menge Leute aus Deutschland. Es war auf jeden Fall toll, dass wir dort überall auftreten konnten, aber darüber hinaus muss man schon sehen, dass man seine Fühler ausstreckt und auch mal in den anderen Veranstaltungsstätten vorbeischaut. Wir hatten den Vorteil, dass unserer Managementteam mit dabei war. Die haben dann dafür gesorgt, dass wir zwischen dem ganzen Auf- und Abbau-Stress mit Leuten reden konnten, die für uns interessant waren und die sich dann auch die Zeit genommen haben.

Was würden Sie anderen Bands, die sich für eine Teilnahme am SXSW--South by Southwest interessieren, raten? Worauf sollten sie achten?

Scherer: Ich denke, man sollte als erstes überlegen, ob man als Band schon so weit ist, dass sich eine Teilnahme überhaupt lohnt. Man sollte zum Beispiel schon eine gewisse Fanbase haben oder zumindest Kontakte in die Branche, um dann gezielt Leute zu den Konzerten einzuladen. Wenn man einfach nur hinfährt und spielt, und keiner weiß von einem, kommt wahrscheinlich kaum einer zum Konzert.

Ronge: Man muss sich auch gründlich auf die Reise vorbereiten. Die größte Hürde war für uns zum Beispiel die Frage der Visa. Wenn man in die USA fliegt und dort arbeitet, was wir ja faktisch tun, wenn wir dort ein Konzert geben, braucht man eigentlich ein Arbeitsvisum. Bei großen internationalen Veranstaltungen wie dem SXSW ist das allerdings nicht notwendig. Das wissen auch die Grenzbeamtinnen und -beamten vor Ort am Flughafen. Wenn man da mit dem Gitarrenkoffer anreist, wird man praktisch durchgewunken. Nur, wenn man als Band schon mal in den USA ist, ist es natürlich sinnvoll, auch außerhalb des Festivals an anderen Orten aufzutreten. In dem Fall gilt allerdings Visumspflicht. Und wenn man mit 1.000 bis 2.000 Euro Visumgebühren pro Person rechnen muss, überlegt man sich schon, wie man da am besten vorgeht.

Mussten Sie die Reisekosten aus eigener Tasche bezahlen?

Ronge: Erst einmal ja. Der Flug nach Texas, die Unterkunft usw. – das geht schon ziemlich ins Geld. Aber als Teil des Showcase im German Haus haben wir einen Produktionskostenzuschuss im Rahmen der Sonderförderung des Bundeswirtschaftsministeriums erhalten. Sonst wäre die Teilnahme auch nicht möglich gewesen.

Aber man muss sich selbst um alles kümmern?

Ronge: Ja, wobei die Initiative Musik vorab Workshops anbietet und den Musikerinnen und Musikern beratend zur Seite steht. Es geht ja nicht nur um die Frage der Visa, sondern zum Beispiel auch um die Mitnahme der Instrumente. Dafür benötigt man noch einmal extra Papiere. Wir hatten das Glück, dass sich unser Management größtenteils um die Reisevorbereitungen gekümmert hat. Alles in allem ist es aber für alle Beteiligten eine ganz gute Vorbereitung, wenn man vorhat, international zu touren. Man sieht dann einfach, was alles dazugehört, was beantragt werden muss, wer für was zuständig ist.

Gibt es noch einen Tipp?

Scherer: Ich glaube, es lohnt sich, vorab mit Bands zu sprechen, die schon einmal in Austin beim SXSW waren. Die Logistik vor Ort ist zum Beispiel eine große Herausforderung. Die ganze Innenstadt wird von Musik bespielt und ist voll mit Fußgängern. Für Autos ist die Stadt in der Zeit gesperrt. Das bedeutet, man muss zu Fuß zu den verschiedenen Spielstätten gehen und sein ganzes Equipment hin- und wieder wegtragen. Außerdem will man mit Leuten sprechen, die meist wenig Zeit haben. Das funktioniert nur, wenn man das Ganze richtig gut plant.

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