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19.03.2021 -

Etwas wird bleiben - Wie können Schriftstellerinnen und Schriftsteller in der Zeit des Lockdowns öffentlich auftreten?
Interview mit Lena Falkenhagen, Bundesvorsitzende des Verbands deutscher Schriftstellerinnen und Schriftsteller (VS in ver.di).

Einleitung

Frau liest, Buch Bücher

© www.laif.de/Mukherjee/Wernet

Musikerinnen und Musikern sowie Theatern und ihren Ensembles ist in der Zeit des Lockdowns ihre Haupttätigkeit verwehrt: nämlich vor Publikum aufzutreten und damit Geld zu verdienen bzw. einzuspielen. Das betrifft auch Schriftstellerinnen und Schriftsteller. Sie können zwar in Zeiten des Lockdowns weiterhin schreiben, ihre Werke aber nicht durch Lesungen vor Publikum z.B. in Buchhandlungen bekannt machen. Wie können sie in der Zeit des Lockdowns dennoch auftreten? Darüber haben wir mit Lena Falkenhagen gesprochen. Sie ist Bundesvorsitzende des Verbands deutscher Schriftstellerinnen und Schriftsteller (VS in ver.di).

Frau Falkenhagen, was kann die schreibende Zunft tun, um in Corona-Zeiten trotzdem öffentlich stattzufinden? Lesungen vor Publikum ja sind derzeit untersagt.

Lena Falkenhagen: Erstmal gibt es neben Lesungen auch noch andere Formate, in denen Schriftstellerinnen und Schriftsteller zusätzlich Öffentlichkeit erzielen und Geld verdienen können. Das sind Podiumsdiskussionen zu bestimmten Themen, außerdem Workshops oder Schreibwerkstätten, in denen sie Laien oder auch Kolleginnen und Kollegen Inhalte vermitteln. Wie auch immer: Das hat sich mit Corona schlagartig alles ins Internet verlagert.

Wie genau können Schriftstellerinnen und Schriftsteller denn im Internet auftreten, wenn sie ihre Werke vorstellen wollen?

Es gibt verschiedene digitale Formate, die allerdings unterschiedliche Professionalitätsgrade im Umgang mit der Technik erfordern. Schnell gemacht ist beispielsweise ein Video von einer eigenen Lesung, das dann in die Sozialen Netzwerke eingestellt werden kann. Die meisten haben außerdem ja auch Live-Video-Formate, die leicht genutzt werden können. Ein Publikums-Feedback gibt es dabei eher eingeschränkt, wenn dann im dazugehörigen Chat. Das ist bei Videolesungen über Video-Conferencing-Tools deutlich besser. Da kann man den Link verschicken und dann für ein Publikum lesen und auch auf Fragen der Teilnehmerinnen und Teilnehmer antworten.
Dann gibt es noch Live-Streaming-Formate, die quasi senden. So etwas benutzen wir im Verband Deutscher Schriftstellerinnen und Schriftsteller auch für unsere Online-Lesung, die jeden Donnerstag stattfindet. Da kann man entweder anonym zuschauen, oder man legt sich ein Konto an, wenn man am Chat teilnehmen und Fragen stellen möchte.

Und wie sieht es bei den verschiedenen Formaten mit dem Geldverdienen aus?

Wenn Sie ein Video ins Netz stellen, dann bringt das kein Geld. Für manche Live-Formate kann man über einen Online-Bezahldienst ein eigenes Konto einrichten, auf das die Veranstaltungsteilnehmerinnen und -teilnehmer Geld einzahlen, um sozusagen ein Ticket zu kaufen. Nach Geldeingang erhalten sie den Link zur Veranstaltung. Es gibt auch verschiedene kleinere Spendenprogramme. Da kann man etwa den Gegenwert eines Kaffees spenden. Aber ich rate davon ab, weil für mich eben das Lesen und Veranstalten einer Lesung Arbeit ist. Insofern würde ich immer einen Fixpreis festlegen und sagen: drei Euro oder fünf Euro für die Lesung, und dann gibt es den Link.

Wie kommen vorlesende Autorinnen und Autoren damit klar, dass sie nicht mehr in einer Buchhandlung 50 Leuten gegenübersitzen, sondern nur ihrem Notebook mit seiner Kamera?

Dieses reine Fernsehformat, wo es nur einen Sender und ganz viele Empfänger gibt, liegt mir persönlich auch nicht so. Natürlich ist das sehr legitim, wenn man sagt, man lädt alle ein und möchte seinem Buch ein bisschen Sichtbarkeit verleihen. Aber um glücklich und zufrieden zu sein, brauche ich auch Interaktivität mit dem Publikum. Sonst kommt man sich schnell ein bisschen vereinsamt vor. Bei den Online-Lesungen unseres Verbands haben wir darum einen Moderator oder eine Moderatorin und drei Lesende, die wir einladen und die sich dafür bei uns bewerben können. Jede oder jeder liest nur zehn Minuten maximal. Das ist auch für mich die Länge, die online gut erträglich ist. Zwischen den Lesungen gibt es Fragen durch den Moderator, die Moderatorin, und zum Schluss wird dann gemeinsam diskutiert. Wir versuchen außerdem, diese Interaktivität dadurch zu steigern, dass wir auf Publikums-Fragen aus dem parallelen Chat eingehen. Und dann gibt es noch diese Emojis unter dem Live-Bild, die das Publikum zuhause in den Chat einfügen kann. Und wir geben das dann an die Lesenden weiter. So etwas geht bei Videokonferenzen auch direkter – dort können die Teilnehmenden ein Herz oder klatschende Hände anklicken.

Veranstalten Verlage auch solche Online-Lesungen?

Natürlich. Schlussendlich ist der Verlag für das Marketing der Bücher zuständig. Wenn man Selfpublisher ist, ist man an der Stelle natürlich auf sich selbst gestellt. Aber Verlagsautorinnen und -autoren sollten für Online-Lesungen an ihre Verlage herantreten, wenn sich der Verlag nicht von sich aus meldet.

Können Literaturhäuser für Lesungen hilfreich sein? Oder Buchhandlungen?

Ja. Literaturhäuser machen auch digitale Lesungen, z.B. mit der Kampagne #zweiterfruehling. Und die werden sich hoffentlich mehr und mehr diesem Thema widmen. Immerhin bekommen sie jetzt auch für erforderliche Investitionen in technische Ausrüstung, also Kameras und Mikrofone, Fördergelder zur Verfügung gestellt, und zwar im Rahmen des Förderprogramms NEUSTART KULTUR. Es ist sehr gut möglich, dass hier dauerhaft ein Veranstaltungsformat für Lesungen entsteht. Wer dann im Einzelfall liest, das werden die Literaturhäuser sicher selber entscheiden und dann bei Autorinnen und Autoren anfragen. Aber einen Versuch ist es auf jeden Fall wert, mit den Häusern in Kontakt zu treten und sich zu erkundigen, wie die Chancen für Lesungen stehen. Und nicht vergessen sollte man auch die vielen Online-Buchclubs, die es mittlerweile gibt und bei denen man sich ebenfalls präsentieren kann. Buchhandlungen werden übrigens leider nur bei der Digitalisierung ihrer Vertriebsinfrastruktur gefördert. Die haben aber ohnehin eine gewisse Abneigung, digitale Lesungen zu veranstalten. Der Hintergrund ist vermutlich, dass Lesungen sonst potentielle Kund*innen in ihre Läden führen, digital ist das schwerer.

Was sollten Autorinnen und Autoren für eine selbstveranstaltete Lesung beachten?

Man muss sich zwei Dinge genau überlegen, bevor man Lesungen ins Netz stellt. Das eine ist: Wie viel lese ich aus meinem Text? Das andere: Wie lange steht es online? Denn je mehr ich aus meinem Text lese, und je länger ich das Video online stehen lasse, desto weniger müssen mich Leute hinterher tatsächlich noch buchen oder mein Buch kaufen. Das heißt, ich schaffe mir im Netz meine eigene Konkurrenz durch digitale Inhalte. Das heißt auch: Wenn, dann kurze Lesungen, die neugierig machen. Aber keine längeren Inhalte. Und dann vertraglich festlegen, wie lange die Lesung im Netz stehen darf. Wenn dauerhaft, dann bitte vergütet.

Es gibt ja ein paar große, starke Streaming-Plattformen, die mittlerweile entstanden sind. Die bündeln die Kulturangebote. Kann man auch als Autorin oder Autor auf diese Plattformen zugehen, um seinen Stream dort anbieten zu lassen?

Warum nicht. Übrigens gibt es auch eine reine Plattform nur für Lesungen: Onleli. Die ist verlagsunabhängig und wird von Autorinnen und Autoren aus dem deutschsprachigen Raum betrieben, vornehmlich Jugendbuchautorinnen und -autoren, die hier Live-Online-Lesungen aus ihren jeweiligen Büchern anbieten, außerdem Fachgespräche für den Unterricht.

Welche Tipps haben Sie für Autorinnen und Autoren für die Online-Selbstvermarktung?

Ich habe Verständnis, wenn Autorinnen und Autoren beispielsweise auf ihrem Social-Media-Konto kurze Lesungen aus ihren Büchern machen, um bei ihren Freunden und Followern eine Art Sichtbarkeit herzustellen. Aber wenn man tatsächlich für jemanden liest, und wenn das nicht für einen caritativen Zweck geschieht, dann ist es aus meiner Sicht ein Fehler, ohne Vergütung zu lesen. Ein zweiter Fehler wäre, die Rechte an der Aufzeichnung einer klassischen, langen Lesung vollständig wegzugeben. Da rate ich, unbedingt eine Vereinbarung treffen, dass diese Aufzeichnung nicht in voller Länge im Netz steht und nicht dauerhaft.

Glauben Sie, dass einige dieser aus der Not geborenen Formate auch nach Corona bleiben werden?

Ja, das glaube ich. Beispielsweise dieses Format der Online-Gesprächsrunden. Wir hatten in unserer Verbands-Online-Lesung zum Beispiel bei der Premiere Zuschauerinnen und Zuschauer aus den USA und Norwegen dabei. So etwas gelingt sonst höchstens auf einer Buchmesse. Ja, etwas wird bleiben

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